Was droht bei Ausgangssperren?

20.03.2020

Von STEFAN KEGEL

Italien und Spanien haben es vorgemacht: Eine Ausgangssperre für das ganze Land. In Bayern haben die Stadt Mitterteich und der Landkreis Wunsiedel solche Anordnungen erlassen. Wenn es weiterhin Corona-Partys und Biergartentreffen gibt – droht dann in Deutschland eine bundesweite Ausgangssperre? Wichtige Fragen und Antworten:

Kann die Bundesregierung eine Ausgangssperre über ganz Deutschland verhängen? Nein. Grundsätzlich ist das in Deutschland zunächst Sache der jeweils zuständigen Behörden in den Bundesländern. Im aktuellen Fall der Coronavirus-Pandemie richten sie sich nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes, wie ein Sprecher des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erklärt. Dieses Gesetz sieht vor, dass bei einer großen Ansteckungsgefahr die „zuständige Behörde“, also im konkreten Fall das jeweilige Gesundheitsamt, „Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten“ kann. Diese Behörde kann auch anweisen, dass Personen ihren jeweiligen Wohnort nicht verlassen dürfen, und sie kann den Zugang zu Orten sperren, „bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“.

Was bedeutet das für den Einzelnen? Mehrere Grundrechte der Verfassung können zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten eingeschränkt werden: die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das heißt unter anderem, dass man sich nicht mehr frei bewegen und sich nicht in Gruppen treffen darf.

Wie lange kann das dauern? Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Im Infektionsschutzgesetz heißt es, dass die Maßnahmen in Kraft sein sollen, „solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist“.

Kann ich in solch einem Fall noch joggen gehen oder den Hund Gassi führen? Das hängt von den angeordneten Maßnahmen der jeweiligen Behörde ab – und von dem Ziel, das diese verfolgt. „Joggen können Sie auch in der Wohnung und auf der Stelle“, erklärt der Verfassungsrechtler Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin. Bei Tieren liege der Fall komplizierter, weil diese unter Umständen im Freien bewegt werden müssen. „Wenn das ohne menschliche Begleitung nicht geht, müssen sie womöglich in Obhut gegeben werden.“ Für Tiere, auf die Menschen angewiesen seien, etwa Blindenhunde, müssten allerdings Ausnahmen gemacht werden, schränkt Pestalozza ein. „Es kommt auf den Einzelfall an.“

Was ist der Unterschied zum Katastrophenalarm? Für einen Katastrophenalarm sind ebenfalls die Bundesländer zuständig. Als Katastrophe wird in deren Gesetzen ein Ereignis verstanden, das Leben oder Gesundheit zahlreicher Menschen erheblich schädigt oder ihre lebensnotwendige Versorgung gefährdet und daher eine überörtliche Führung erfordert. In diesem Fall können zusätzlich zu den Grundrechtseinschränkungen im Infektionsschutzgesetz noch weitere Freiheiten beschnitten werden: die körperliche Unversehrtheit, die Freizügigkeit, die Freiheit des Berufes sowie in manchen Bundesländern auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Gewährleistung des Eigentums.

Wer kontrolliert eigentlich Ausgangssperren? Das kann jede dazu ermächtigte Behörde tun, neben der Polizei also auch die Ordnungsämter. Ob die Bundeswehr dafür eingesetzt werden darf, entscheidet sich nach Artikel 35 des Grundgesetzes.

Kann man sich gegen Ausgangssperren wehren? „Juristisch wehren können Sie sich bei uns aufgrund der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes gegen alles“, bestätigt Verfassungsrechtler Pestalozza. Allerdings würde das an der aktuellen Lage nichts ändern. Denn Rechtsmittel hätten in diesen Fällen keine aufschiebende Wirkung. Zunächst gälten die Maßnahmen also weiter.

Kann ich ins Gefängnis kommen, wenn ich eine Ausgangssperre missachte? „Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, gegen die Internationalen Gesundheitsvorschriften und gegen die Katastrophenschutzgesetze können als Ordnungswidrigkeiten oder als Straftaten verfolgt werden“, erklärt der Jurist Pestalozza. Auf Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz zum Beispiel stehen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren und Geldstrafen. Stefan Kegel

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Erstellt:
20.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 48sec
zuletzt aktualisiert: 20.03.2020, 06:00 Uhr

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