Corona

Sonne und Hitze als Virenkiller

Erkältungsviren haben Saison in der kalten Jahreszeit. Auch bei Corona gibt es Anzeichen, dass ihre Verbreitung im Sommer nachlässt. Die Mutanten könnten daran aber etwas ändern.

21.06.2021

Von HAJO ZENKER

Sonne hilft: UV-Licht beeinflusst, wie lange ein Corona-Erreger überlebt. F oto: Philipp von Ditfurth/dpa Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Sonne hilft: UV-Licht beeinflusst, wie lange ein Corona-Erreger überlebt. F oto: Philipp von Ditfurth/dpa Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Berlin. Von Erkältungsviren kennen wir das: Sie verbreiten sich besser in der kalten Jahreszeit. Das nennt sich dann Saisonalität. Die ist, so das Robert-Koch-Institut (RKI), in unterschiedlichen Klimazonen unterschiedlich stark ausgeprägt: Während in Europa stärkere saisonale Effekte beobachtet würden, ließen sich in (sub-)tropischen Regionen weniger starke Unterschiede feststellen. Aber wie ist das bei Corona? Die Infektionszahlen in Deutschland sinken gleichzeitig mit den steigenden Temperaturen. Gibt es einen Zusammenhang?

Sars-Cov-2 als neuer Erreger traf auf eine Menschheit, die noch keinerlei Abwehrkräfte hatte, womit sich unabhängig von der Jahreszeit für dieses Coronavirus gute Ausbreitungsmöglichkeiten boten. Dennoch beeinflusst laut RKI das Zusammenspiel von Faktoren, welche die Saisonalität bei anderen Viren bedingen, „wahrscheinlich“ auch den Verlauf der Sars-Cov-2-Dynamik – etwa Temperatur, die UV-Strahlung der Sonne, Wind und Luftfeuchtigkeit. Dazu kommt natürlich, dass bei schönem Wetter die Menschen sich häufig im Freien aufhalten, wo eine Ansteckung ungleich schwerer erfolgen kann als in Innenräumen. Und selbst die Tatsache, dass die Sonne für die Bildung von Vitamin D im Körper sorgt und damit die Widerstandsfähigkeit stärkt, spielt eine Rolle. Womit laut RKI „die Übertragungsdynamik im Winter tendenziell stärker und im Sommer etwas abgeschwächter“ sei.

Die Johns Hopkins University in Baltimore hat Daten aus 50 Ländern der Nordhalbkugel ausgewertet mit dem Ergebnis, dass 2020 dort mit einer Erhöhung der Tagestiefsttemperatur eine Abnahme der Virus-Übertragbarkeit einherging. Das ähnele dem Verhalten eines saisonalen Atemwegsvirus. Diese Erkenntnis könne helfen, meinen die Wissenschaftler, um Lockerungen von Corona-Maßnahmen zu planen und sich gleichzeitig auf den Zeitpunkt eines möglichen Wiederauflebens der Pandemie in kühleren Monaten vorzubereiten.

Eine von der US-Regierung in Auftrag gegebene Studie hatte zudem gezeigt, dass das Überleben von Sars-Cov-2 stark an der Ultraviolettstrahlung hängt: Demnach werden im Frühjahr im Schnitt 90 Prozent der Coronaviren in 26 Minuten durch diesen Teil des Sonnenlichts zerstört. Im Sommer dauert das nur noch neun Minuten, im Herbst und Winter aber 74 Minuten. Selbst wenn sie nicht komplett zerstört werden, kann UV-Strahlung das Virus als Gefahr ausschalten. Laut der Virologin Stephanie Pfänder von der Ruhr-Universität Bochum schädigen die Sonnenstrahlen die genetische Information der Viren, sie sind dann nicht mehr infektiös.

Dazu kommt die Temperatur: Die Virushülle ist laut dem Virologen Ulf Dittmer von der Uniklinik Essen im Freien bei zehn Grad Celsius besonders stabil. Je wärmer es werde, desto mehr nehme die Stabilität ab. Durch Wärme veränderten sich Fettmoleküle in der Hülle so, dass sie platzen könne. Eine Rolle spielt auch die Luftfeuchtigkeit. Liegt diese unter 40 Prozent, so das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig, nehmen die Viren weniger Wasser auf, sinken daher nicht so schnell zu Boden und können eher von gesunden Menschen eingeatmet werden. Zudem würden bei trockener Luft die Nasenschleimhäute trockener und damit durchlässiger für Viren.

Auf der Internetseite wetter.de kann man sich denn auch anschauen, wie schnell in der eigenen Region bei der aktuellen Wetterlage – Temperatur, Sonneneinstrahlung, Luftfeuchtigkeit – die Viren an der frischen Luft zerfallen. Berechnet wird dabei, wie viele Stunden es dauert, bis 99 Prozent der Viren abgestorben sind. Die Ergebnisse liegen dabei dann allerdings höher als bei der US-Studie nur zur UV-Strahlung: Im günstigsten Fall, mit viel Sonne und Hitze, geht das laut der Seite in weniger als einer Stunde. Es könne aber bei vielen Wolken und kühleren Temperaturen auch drei Stunden und mehr dauern.

Saisonalität ist also eine komplexe Angelegenheit, und sie wird aktuell vielleicht sogar von den Mutationen ausgebremst, die aus fernen Ländern stammen. Zwar werde es noch eine „gewisse Saisonalität“ geben, meint Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Jedoch könnte diese „durch die hohe Infektiosität der Virusvarianten überlaufen werden“. Auch der Virologe Martin Stürmer von der Universität Frankfurt/Main geht davon aus, dass die zuerst in Brasilien, Südafrika und Indien aufgetauchten Mutanten, wenn sie sich deutlich effektiver verbreiten können, „das auch bei warmem Wetter tun werden“. Und das sei ebenfalls für Deutschland gültig.

Allein auf das Wetter zu setzen, um unbeschadet durch die kommenden Monate zu kommen, wäre also falsch. Deshalb hat auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) davor gewarnt, sich allein auf warmes Wetter zu verlassen. Man habe, so das dafür eingesetzte Expertenteam, in der bisherigen Pandemie gesehen, dass Infektionswellen auch in warmen Jahreszeiten und warmen Regionen ansteigen können.

Zum Artikel

Erstellt:
21.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 16sec
zuletzt aktualisiert: 21.06.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!