Pandemie

SWP-Leitartikel: Wir schaffen das!

Immer mehr Geimpfte, immer mehr Öffnungen, immer schöneres Wetter – man könnte Corona fast vergessen.

05.06.2021

Von HAJO ZENKER

Kann man natürlich nicht, etwa, weil Masken allgegenwärtig bleiben und Tests an vielerlei Stellen noch nötig sind. Aber dass eine gewisse, fast vergessene Normalität einkehrt, in der nach all der Zeit etwa Gaststätten- oder Theaterbesuche wieder möglich sind, ist unstrittig. Und es sieht tatsächlich danach aus, dass der Spruch, „der Sommer wird gut“, Wirklichkeit wird. Trotzdem bleibt das Ganze fragil. Wirklich durch sind wir mit dem vermaledeiten Virus noch nicht.

Denn dass man sich nicht zu früh in Sicherheit wiegen sollte, hat Deutschland ja im vergangenen Jahr gezeigt, als die Öffnungspolitik nicht rechtzeitig und nicht konsequent genug beendet wurde. Ja, damals gab es noch keinen Impfstoff. Aber auch mit Vakzin kann das passieren, wie man in Chile sieht. Bei den Impfquoten ist das Land global gesehen mit ganz vorn – und trotzdem sind die Intensivstationen jetzt fast voll. Woran das genau liegt, ist unklar. Wir wissen noch immer zu wenig über das Virus. So wie wir ja auch nicht wirklich wissen, warum die Inzidenz bei uns in den vergangenen Wochen so rasch nach unten ging.

Ausgerechnet Virologen, die bisher nicht gerade als alarmistisch veranlagt galten, warnen schon vor einer vierten Corona-Welle im Herbst. Und diese Warnung ist angebracht. Die Herdenimmunität, die die Verbreitung des Virus ausbremst, ist von zunächst vermuteten 60 Prozent an Immunisierten angesichts der Mutationen von Experten auf 80 Prozent plus angehoben worden. Das ist schwer zu erreichen, jedenfalls auf kürzere Sicht.

In den USA etwa wird die zunächst so machtvolle Impfkampagne jetzt zunehmend von einem Bevölkerungsteil ausgebremst, der nicht geimpft werden möchte. Und was weitere Mutationen noch für unangenehme Überraschungen in petto haben, lässt sich auch schwer abschätzen. Zumal eine Kehrseite des schönen Sommers sein kann, dass wir aus dem Urlaub im Ausland neue Mutationen einschleppen, die etwa den Impfschutz verblassen lassen könnten. Wobei die vermeintlich politisch korrekte Idee der Weltgesundheitsorganisation, die Mutanten ab sofort mit griechischen Buchstaben zu bezeichnen, statt mit dem Land, in dem sie zuerst entdeckt wurden, den Normalbürger eher verunsichert und ihm die Information vorenthält, wo gerade eine unerfreuliche Virusvariante aufgetaucht ist – wie aktuell in Vietnam. Wobei sich die Wissenschaft gerade darüber streitet, ob das eine eigene Mutante oder nur eine Variante des indischen Virus ist. Was einem damit Angesteckten nicht hilft. Denn der muss um seine Gesundheit fürchten. Ein Medikament gegen Corona haben wir noch nicht. Und wie lange etwa Langzeitfolgen von Covid-19 anhalten, ist unbekannt.

Trotz allem: Genießen wir den Sommer. Tanken wir Sonne, tanken wir Freiheit. Aber lassen wir uns nicht komplett in alte Muster zurückfallen. Das Virus wartet nur darauf, uns im Herbst noch einmal so richtig seine Gefährlichkeit zu zeigen.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
05.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 25sec
zuletzt aktualisiert: 05.06.2021, 06:00 Uhr

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