Gleichstellung

Nun doch eine Frau – das schwere Ringen der Sozialdemokraten um Gleichberechtigung

Bärbel Bas soll Bundestagspräsidentin werden. Doch gesellschaftlicher Anspruch und die Wirklichkeit klaffen in der Partei weiterhin auseinander.

21.10.2021

Von André Bochow

Die künftige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Foto: Michael Kappeler/dpa

Die künftige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin. Das war knapp. Am kommenden Dienstag trifft sich der Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung, und noch am Montag dieser Woche waren die führenden Genossen in der SPD der Meinung, dass Rolf Mützenich Bundestagspräsident werden solle. Die Sozialdemokraten haben als stärkste Partei im Parlament das Vorschlagsrecht und der gerade erst zum Fraktionsvorsitzenden gewählte Mützenich wäre zweifellos eine höchst ehrenwerte Besetzung gewesen. Nun aber entschied der SPD-Fraktionsvorstand einstimmig, dass die Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas an der Spitze des Bundestages stehen soll.

Zwar ist der Bekanntheitsgrad der 53-Jährigen nicht sonderlich hoch. Aber die Sozialdemokraten entgehen mit ihrer Nominierung einer peinlichen Situation. Wäre Mützenich Bundestagspräsident geworden, hätte die SPD dafür gesorgt, dass die fünf höchsten Ämter im Staat – außerdem noch: Bundespräsident, Kanzler, Bundesratspräsident und Verfassungsgerichtspräsident – von Männern besetzt wären.

Proteste bringen Umdenken

Doch es war erst der Protest der sozialdemokratischen Frauen nötig, um zu verhindern, dass die SPD in Sachen Gleichstellung nicht völlig ihre eigenen Ansprüche ignorierte. Die Diskussion dürfte damit nicht beendet sein. Denn die mühsam errungene Nominierung von Bas sorgt dafür, dass die zweite Amtszeit für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier weniger unter emanzipatorischen Druck gerät. Gleichzeitig bleibt der Fraktionsvorsitz in Männerhand. Selbst wenn Mützenich ein Minister- oder Staatsministeramt in übernähme, sind für seine Nachfolge nur zwei Namen im Gespräch – der des SPD-Generalsekretärs Lars Klingbeil und der des Umweltpolitikers Matthias Miersch.

Es bleibt der SPD immerhin noch die Regierungsbildung. Im November 2020 twitterte Scholz: „Ich gebe hier heute das Versprechen ab: Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt!“ Es könnte schwierig werden, dieses Versprechen einzuhalten. Die FDP lehnt die Festlegung auf eine paritätische Kabinettsbildung ab. Bei den Grünen wird bislang nur Annalena Baerbock als Ministerin gehandelt. Wenn man davon ausgeht, dass ein Kanzler Scholz seinen Intimus Wolfgang Schmidt zum Kanzleramtsminister macht, müssten praktisch alle von der SPD geführten Ministerien von Frauen geleitet werden.

Im Bundestagspräsidium wird weibliche Dominanz vorgelebt. Neben der Duisburgerin Bas nominiert die SPD die ehemalige Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz als Vizepräsidentin. Die Grünen-Fraktion wird wohl wieder durch Claudia Roth vertreten, und auch Petra Pau scheint bei den Linken für dieses Gremium gesetzt zu sein. André Bochow

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Erstellt:
21.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 10sec
zuletzt aktualisiert: 21.10.2021, 06:00 Uhr

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