Duisburg · Fußball

Marvin Compper über Rassismus: Schlüssel ist die Erziehung

Ein Gespräch mit dem aus Tübingen stammenden Drittliga-Profi Marvin Compper vom MSV Duisburg über Kampagnen gegen Rassismus, Ausgrenzungen im Alltag und Humor.

07.06.2020

Von Hansjörg Lösel

Wenn Marvin Compper auf englisch angesprochen wird, antwortet er einfach auf schwäbisch.Archivbild: firo Sportphoto

Wenn Marvin Compper auf englisch angesprochen wird, antwortet er einfach auf schwäbisch.Archivbild: firo Sportphoto

Sollte Marvin Compper rechtzeitig fit werden bis zum Auswärtsspiel am Mittwoch auf dem Lauterer Betzenberg, wird sich der Verteidiger des MSV Duisburg kein T-Shirt mit einer politischen Botschaft unters Trikot ziehen. Und er hat auch nicht vor, niederzuknien, sollte ihm sein zweites Saisontor gelangen. Obwohl auch viele Sportler derzeit „Justice for George Floyd“ fordern und obwohl sich der in Tübingen geborene Sohn einer Deutschen und eines Franzosen aus Guadeloupe privat intensiv mit dem Thema Rassismus beschäftigt. „Ich bilde mich da permanent weiter“, sagt Compper. Der 34-Jährige hat vielleicht gerade deshalb eine differenziertere Sicht als manch anderer: „Ich finde es unglaublich schwierig, Rassismus in den USA mit der Situation in Deutschland zu vergleichen“, sagt Compper.

Der Tübinger ist seit mehr als 15 Jahren Profi – in dieser Zeit gab es im deutschen Fußball immer wieder vom Verband verordnete Kampagnen für Toleranz, von „Zeig Rassismus die Rote Karte“ bis „Strich durch Vorurteile“, Banner wurden aufgehängt, Schweigeminuten eingelegt. „Das ist alles sicher nicht verkehrt, aber einen wirklichen Wandel wird es nur geben, wenn er in den Schulen und Grundschulen stattfindet“, sagt der zweifache Familienvater. „Rassismus jeglicher Art sollte aufhören – und der Schlüssel ist die Erziehung.“

Als Fußballer hat Compper keine rassistischen Anfeindungen erlebt, auch nicht in der rauen 3. Liga mit dem MSV Duisburg. Bei Auswärtsspielen mit der TSG Hoffenheim und RB Leipzig bekam er aus gegnerischen Fankurven auch nicht nur Nettigkeiten zu hören, was genau die gegnerischen Fans da grölten, wollte er gar nicht immer wissen. „Die Klubs waren ja nun beide nicht sonderlich beliebt“, lächelt der 34-Jährige.

Im privaten Bereich hat Compper aber immer wieder erlebt, dass er aufgrund seines Aussehens abgestempelt wurde. Als er zum ersten Mal mit seiner heutigen Frau ausging, wurde das Paar bei einem Club am Eingang abgewiesen, erzählt Compper, „für sie war das völlig neu.“ Bei der Diskussion über Rassismus will der Fußballer auf keinen Fall in eine Opferrolle aufgrund seiner Hautfarbe geraten, „denn das ist doch viel eher ein Problem der jeweiligen Person.“ Humor ist eine gute Waffe, um Vorurteilen zu begegnen: „Es passiert mir häufig, dass ich auf englisch angesprochen werde – ich gönne mir dann den Spaß und sage ein paar Sätze auf schwäbisch.“ Damit erntet der gebürtige Tübinger in Duisburg oder seinem Wohnort Düsseldorf schon genug staunende Blicke.

„In meinem Alter ist es erforderlich, voran zu gehen“

Alle drei Tage ein Spiel – die Schlagzahl nach dem Neustart der 3. Liga ist hoch. Wadenprobleme stoppten den 34-Jährigen Compper, der beim 1:1 am Mittwoch gegen Jena zur Halbzeit ausgewechselt wurde und am Wochenende pausierte. „Das war eine Vorsichtsmaßnahme“, sagte Compper, der heute wieder mit der Mannschaft trainieren wird und auf einen Einsatz am Mittwoch gegen den 1. FC Kaiserslautern hofft. „Wir sind fit, wir hatten ja zwei Monate, um an der physischen Fitness zu arbeiten“, sagt der Neu-Duisburger. Alle drei Tage werden die Drittliga-Fußballer auf das Coronavirus getestet. Beim 2:1 des MSV am Samstag gegen Chemnitz durfte Compper nicht ins Stadion, weil er nicht im Kader stand. Durch die Corona-Krise sei das völlig neu zusammengestellte MSV-Team enger zusammen gerückt, sagt Compper: „Wir haben eine starke Gemeinschaft, der Aufstieg wäre eine Riesen-Sache unter diesen Umständen mit der Unterbrechung und dazu noch der Rolle des Gejagten.“ Doch die Liga ist extrem eng, Tabellenführer Duisburg trennen nur 6 Punkte von Platz 9. Mit seiner Erfahrung soll der Ex-Nationalspieler neben Routinier Moritz Stoppelkamp die jungen Zebras führen. „In meinem Alter ist es erforderlich, voranzugehen“, sagt Compper. Ist für einen langjährigen Spieler von Ralf Rangnick der Weg ins Trainer-Fach nicht vorgezeichnet? „Ich will das nächstes Jahr vorantreiben und parallel mit der Elite-Jugend-Lizenz beginnen“, sagt Compper.

Am 14. Juni feiert Marvin Compper seinen 35. Geburtstag. In 195 Bundesliga-Partien erzielte der Abwehrspieler 8 Tore. In der Jugend kickte er beim SV Bühl und dem SV 03 Tübingen, ehe er zum Nachwuchs des VfB Stuttgart wechselte. Bei Borussia Mönchengladbach (2003 bis 2005) absolvierte Compper unter Jupp Heynckes seine erste Bundesliga-Partien. Bei der TSG Hoffenheim (2008 - 1013) wurde der Innenverteidiger Kapitän und machte ein A-Länderspiel. Nach einem Jahr beim AC Florenz folgten vier Spielzeiten bei RB Leipzig, 2016 stieg er mit Ralf Rangnick in die Bundesliga auf. Nach einer Saison bei Celtic Glasgow ohne Einsatz wechselte Compper 2019 zum Drittligisten MSV Duisburg. Sein Vertrag läuft bis Juni 2021. Mit seiner Frau und den beiden Kindern lebt der Fußballer in Düsseldorf.

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Erstellt:
07.06.2020, 17:18 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 23sec
zuletzt aktualisiert: 07.06.2020, 17:18 Uhr

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