VfB Stuttgart

Kevin Großkreutz: Entschuldigung unter Tränen

In einem sehr emotionalen Moment verabschiedet sich der 28-Jährige. Vom Profi-Fußball will er – zunächst – nichts mehr wissen.

04.03.2017

Von THOMAS GOTTHARDT

Kevin Großkreutz sucht nach Worten bei seiner gestrigen, sehr bewegenden Entschuldigungsrede. Der 28-Jährige, dessen Vertrag mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, bedankte sich beim Klub und den Fans. Foto: Eibner

Kevin Großkreutz sucht nach Worten bei seiner gestrigen, sehr bewegenden Entschuldigungsrede. Der 28-Jährige, dessen Vertrag mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, bedankte sich beim Klub und den Fans. Foto: Eibner

Stuttgart. Vor dem Parkplatz, auf dem die Profis des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart ihre nicht gerade kleinen Autos abzustellen pflegen, war Betrieb wie immer. Fans waren auf der Jagd nach Autogrammen ihrer Idole, die kurz zuvor die Trainingsarbeit beendet hatten. Kinder, die schon mit einem Handy ausgerüstet waren, favorisierten ein Selfie.

Auf der VfB-Geschäftsstelle, in dem eher kleinen Raum, in dem die obligatorischen Pressekonferenzen vor einem Spiel stattfinden, war deutlich mehr Betrieb. Es hatte sich etwas herumgesprochen in den Vormittagsstunden. Kameras, Mikrofone, Laptops und Notizblöcke en masse. Es sollte, das war der Ursprungsplan, um das Zweitliga-Spitzenspiel des Tabellenführers am kommenden Montag bei Eintracht Braunschweig gehen. Dann sollte es um die Partie und Kevin Großkreutz gehen – es ging schlussendlich nur noch um Großkreutz und dessen sofortigen Rausschmiss beim VfB. Vertragsauflösung (bis 2018) ohne Wenn und Aber.

Trainer Hannes Wolf war gar nicht erst erschienen, schließlich stand der Sport im Abseits. Sportvorstand Jan Schindelmeiser übernahm die Aufgabe, den Fall Großkreutz, im doppelten Wortsinn, zu erläutern. Er tat es in wohl gesetzten und überlegten Worten, schilderte die Sachlage nüchtern und trocken.

Dann kam überraschend Kevin Großkreutz und setzte den Kontrapunkt zu Jan Schindelmeiser. Der Weltmeister, den Kopf unter einer grau-schwarzen Mütze versteckt. Was vom Gesicht zu sehen war, zeigte die Verletzungen aus der Schlägerei, der Rest steckte in einem grauen Trainingsanzug. Der 28-Jährige wollte sich erklären. Er wollte nicht aufklären über das, was sich in der Nacht vom vergangenen Montag auf Dienstag auf dem Stuttgarter Wilhelmsplatz gegen 2 Uhr zugetragen hatte. Und tatsächlich werde überhaupt nicht aufgeklärt über die konkreten Vorgänge, betonte Jan Schindelmeiser. Im Auflösungsvertrag mit Kevin Großkreutz sei eine Verschwiegenheitsklausel eingebaut, die es beiden Parteien verbietet, weiter ins Detail zu gehen, wenn es um die angebliche Party und deren sichtbaren Folgen geht.

So viel jedoch ist sicher: Großkreutz war bei der Schlägerei in Begleitung von drei Nachwuchsspielern des VfB. Seine Kontrahenten seien Teenager gewesen. Großkreutz musste danach wegen Kopf- und Gesichtsverletzungen im Krankenhaus behandelt werden. Die beteiligten Nachwuchsspieler des VfB werden übrigens auch bestraft, sagte der Sportvorstand, mehr ließ Schindelmeiser nicht raus.

Kevin Großkreutz setzte sich also neben seinen Ex-Boss und fing an. Er wolle nicht einfach abhauen, sagte der gebürtige Dortmunder. Dann war es mit der Selbstbeherrschung vorbei. Großkreutz heulte, stammelte Sätze der Entschuldigung. Zupfte an seiner Mütze. „Ich werde jetzt erstmal ruhiger machen“, schluchzte er. Er wolle zunächst mit dem Profi-Fußball nichts zu tun haben. Mit der Hand fuhr er sich vors Gesicht. „Ich habe einen Fehler gemacht, der mir sehr Leid tut. Ich habe mich mit dem Verein identifiziert. Trotzdem ist es jetzt so gekommen. Ich kann mich dafür nur entschuldigen.“ Als Abschiedsgruß gab es noch eine Bitte: Er hoffe, im Mai zur Aufstiegsfeier mit „den Jungs“ eingeladen zu werden.

Schindelmeister hatte vorher nochmal die Dimension dieses Ereignisses aufgezeigt. „Gerade die Spieler der ersten Mannschaft haben eine besondere Vorbildfunktion für den Verein im Allgemeinen und unsere Jugendspieler im Besonderen. „Dieser Rolle ist er nicht gerecht geworden.“ Großkreutz wisse, dass er „großen Mist gebaut hat“.

Stuttgart verpflichtete Großkreutz im Januar 2016 für eine Ablöse von 2,2 Millionen Euro und holte ihn zurück in die Bundesliga, doch den Abstieg konnte er nicht verhindern. Dennoch wurde die Kämpfernatur am Neckar, wo sie seine immer offene, ehrliche Art schätzten, zum Publikumsliebling und Stammspieler.

In dieser Saison kam der sechsfache Nationalspieler auf 16 Pflichtspiele, im Topspiel bei den Niedersachsen wird er fehlen. Ob Großkreutz jemals wieder ein Fußballtrikot tragen wird, ist offen. „Nach den Vorkommnissen ist die Beendigung der Zusammenarbeit mit Kevin der einzige logische Schritt. Das ist für uns alle keine einfache Situation“, zog Trainer Hannes Wolf schnell einen Schlussstrich.

Tobias Werner meldet sich zurück

Tobias Werner hat beim 3:0-Testspielsieg des VfB Stuttgart gegen Wormatia Worms sein Comeback gegeben. Der Offensivakteur hatte zuletzt im September 2016 gespielt und war seither mit einer Verletzung am Oberschenkel ausgefallen. Werner durfte die zweite Halbzeit spielen und glänzte gegen den Regionalligisten Worms als Schütze zum 3:0. Das 2:0 von Berkay Öczan bereitete er vor. Das 1:0 erzielte Josip Brekalo. Trainer Hannes Wolf wechselte sein Team zur Häflte komplett durch. Auch Daniel Ginczek spielte nur 45 Minuten. Die beiden Winter-Neuzugänge Jérôme Onguéné und Ebenezer Ofori kamen zu ihrem ersten Einsatz im Trikot des VfB Stuttgart. ?dpa

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Erstellt:
04.03.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 04.03.2017, 06:00 Uhr

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