Kommentar

KI-Campus: Kein Wort des Bedauerns

Kommentar von Sabine Lohr über die Reaktionen auf den Bosch-Rückzug

16.02.2023

Von Sabine Lohr

Es ist ein harter Schlag für das Cyber Valley und für Tübingen: Bosch investiert nicht in einen Campus zur KI-Forschung, und es entstehen keine 700 neuen Arbeitsplätze in der Stadt. Das Großprojekt ist beerdigt, auf dem Horemer entsteht keine Kleinstadt der Zukunft, sondern zunächst mal gar nichts. Und alle ducken sich weg: Oberbürgermeister Boris Palmer sagt immer denselben inhaltsleeren Satz, Bosch selber meint, es brauche diesen Standort nicht mehr, und auch Cyber-Valley-Sprecher Prof. Michael Black redet lieber in großen Worten vom erfolgreichen Unternehmensverbund, von der „KI-Revolution“ und von „rasantem Wachstum“. Das Cyber Valley sei der Ort, an dem dies geschehen würde.

Schon möglich. Aber halt ohne den Bosch-Campus. Bosch wäre immerhin einer der ganz Großen auf der Viehweide gewesen. Einer, den Palmer für seinen High-Tech-Weg durchaus gebraucht hätte. Auf dem Gelände sollen sich jetzt, geht es nach Black, Start-ups ansiedeln, die sich dort zu „bahnbrechenden Unternehmen“ entwickeln.

Warum eigentlich? Warum brauchen Start-ups, die zur Künstlichen Intelligenz forschen oder Produkte entwickeln, die Künstliche Intelligenz nutzen, noch Grundstücke, wenn sich die Arbeitswelt so verändert hat? So sehr, dass selbst Bosch glaubt, kein Gebäude mehr für 700 Experten bauen zu müssen?

Liegen alle anderen KI-Firmen, die ihre Mitarbeiter noch wie früher – vor der Pandemie – in Büros arbeiten lassen, so falsch? Stehen die Gebäude von Amazon & Co bald leer? Zieht sich das Land jetzt auch zurück? Immerhin plant Baden-Württemberg zwei weitere Gebäude für 236 Millionen Euro auf der Oberen Viehweide zu bauen – für KI-Forscher. Die sich mit den Forschern aus anderen Gebäuden beim Kaffeetrinken die genialen Ideen für morgen ausdenken.

Und warum bedauert eigentlich niemand den Bosch-Rückzug? 2019 haben sie alle so sehr gejubelt über den geplanten AI-Campus: der Oberbürgermeister, der Unirektor, das Cyber Valley, andere Forscher. Der Rückzug dagegen wurde nicht einmal kommuniziert – auch nicht von Palmer gegenüber dem Gemeinderat. Die Tübinger Liste bemängelte das am Mittwoch auf ihrer Facebook-Seite – und hoffte da noch, dass das Projekt vielleicht einfach abgespeckt werden würde. Vielleicht werde „ein kleinerer erster Schritt ins Auge gefasst“. Diese Hoffnung scheint auch Palmer zu haben und offenbar dem Gemeinderat auf Nachfrage der Tübinger Liste vergangene Woche so auch mitgeteilt zu haben. Er will, wie er am Montag dem TAGBLATT sagte, zusammen mit dem Staatsministerium noch einmal mit der Bosch-Geschäftsführung sprechen.

Doch die Absage des Konzerns ist deutlich. Und auch Michael Black scheint nicht zu glauben, dass sich da noch was stemmen lässt. Er verweist darauf, dass Bosch ja Partner des Cyber Valley bleibt. Alles nicht so schlimm also?

Doch. Nach der Schlappe in der Corona-Impfstoffentwicklung von Curevac ist der Bosch-Rückzug die zweite Niederlage auf der Oberen Viehweide. Zumindest die zweite, die bekannt wurde. Wenn auch nur durch eine Nachfrage.

Palmer, der bei den Gewerbesteuereinnahmen auf High-Tech-Firmen setzt, muss der Rückzug schmerzen. Immerhin kann sich der OB darüber freuen, dass dieser Rückzug nicht schon während des Wahlkampfs bekannt wurde.

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Erstellt:
16.02.2023, 22:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 33sec
zuletzt aktualisiert: 16.02.2023, 22:00 Uhr

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