Pandemie
Interview: „Kinder leiden besonders“
Eva Frank ist Kinder- und Jugendtherapeutin und bei der DPtV tätig, der größten Deutschen Berufsvereinigung der Psychotherapeuten. Sie kommt ursprünglich aus München und hat eine eigene Praxis in Berlin.
Frau Frank, sind seit der Pandemie mehr Kinder in Therapie?
Eva Frank: Ja, allein bei mir sind es etwa ein Viertel mehr Anmeldungen seit der Pandemie. Besonders im zweiten Lockdown sind es mehr geworden. Langsam wird es auch in funktionierenden Familien schwerer mit Stress und Isolation. Alles konzentriert sich auf zu Hause, da leiden alle Altersgruppen, besonders die Jüngsten.
Wieso ist es gerade für die besonders schwer?
Je jünger die Kinder, desto mehr sind sie auf die Beziehung und Bindung zu ihren Eltern angewiesen, je älter desto wichtiger sind soziale Außenkontakte. Da tun sich die Eltern schwer, dem gerecht zu werden, auch bei den Kleinsten: Exzessives Schreien bei Säuglingen ist in der Pandemie furchtbar. Es gibt keine Austauschmöglichkeiten für Eltern, keine Krabbelgruppen.
Was sind die häufigsten Probleme bei Kindern und Jugendlichen?
Ängste, Zwänge wie Waschzwänge und Essstörungen. Außerdem haben im zweiten Lockdown besonders viele Angst davor, sich und andere anzustecken – einige haben schon Erfahrungen mit dem Tod Angehöriger gemacht.
Wie erkennt man solche Probleme?
Eltern sind die Experten ihrer Kinder: Wenn sich der Wesenszug total ändert, wenn ein ruhiges Kind mehr Aggression zeigt oder sich ein lebendiges Kind sehr zurückzieht und das länger als zwei Wochen dauert, sollte man über professionelle Hilfe nachdenken.
Wie helfen Sie denen?
Ich mache Sitzungen in der Praxis, aber auch per Video. So erreiche ich auch diejenigen in Quarantäne oder aus den Risikogruppen. Es sollte dringend auch für die Akuttherapie bei neuen Patienten erlaubt werden, schnell per Telefon zu helfen – wenn eine Mutter oder ein Vater anruft und Hilfe braucht. Allgemein müsste es mehr niederschwellige Angebote geben.
Glauben Sie, dass viele Störungen nach der Pandemie bleiben?
Manche gehen auch gestärkt aus der Krise: Eine Patientin mit Angststörung hat gerade erfolgreich eine Online-Präsentation gehalten. Wenn die Familie aber instabil ist oder keine Hilfe bekommt, wird es Langzeitschäden geben.