Fragen und Antworten

Hohe Hürden fürs Reisen

Die Bundesregierung geht schärfer gegen den Tourismus vor – auch mit Einreisesperren. Der Branche droht eine Pleite- und Entlassungswelle.

01.02.2021

Von MICHAEL GABEL

Foto: Grafik: Reichelt/Raiola, Quelle: afp/Innenministerium

Foto: Grafik: Reichelt/Raiola, Quelle: afp/Innenministerium

Berlin. Testpflichten und Quarantäne gibt es schon. Jetzt wird das Reisen weiter erschwert. Das Kabinett hat Einreisesperren nach Deutschland beschlossen. Sie sind am Wochenende in Kraft getreten und bis 17. Februar befristet. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Aus welchen Ländern darf man nicht mehr nach Deutschland einreisen? Aus Großbritannien, Südafrika, Brasilien sowie den beiden EU-Ländern Portugal und Irland sind keine Einreisen mehr möglich. Hinzu kommen die südafrikanischen Mini-Staaten Lesotho und Eswatini (früher Swasiland). Grund ist die starke Verbreitung von ansteckenderen Coronavirus-Varianten in diesen Ländern.

Betrifft die Regelung auch deutsche Staatsbürger? Nein. Bundesbürger dürfen weiterhin in ihre Heimat zurückkehren. Ein Rückreiseverbot für Deutsche wäre wohl auch verfassungswidrig.

Was soll das Vorgehen bewirken? Die Hoffnung ist, dass die Fluggesellschaften wegen der Restriktionen ihren Flugbetrieb in die fünf Länder herunterfahren oder sogar ganz einstellen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte in der vergangenen Woche sogar davon gesprochen, den Flugverkehr „auf nahezu null“ zu reduzieren. Dazu hätte es aber eines generellen Landeverbots bedurft. Aus Sicht von Juristen wäre eine solch drastische Maßnahme angesichts zurückgehender Infiziertenzahlen in Deutschland nicht verhältnismäßig gewesen.

Wohin kann man noch reisen? Zwar warnt die Bundesregierung generell seit Langem vor „nicht notwendigen touristischen Reisen“. Aber: Reisen ist nicht verboten, auch nicht in Länder, für die eine besondere Reisewarnung besteht. Für Touristen ergeben sich oft jedoch ganz praktische Probleme. Viele Airlines haben ihren Betrieb drastisch reduziert. Immer wieder werden Flüge, für die schon Tickets verkauft wurden, abgesagt.

Wie bewerten die Deutschen die Reisebeschränkungen? Bei einer großen Mehrheit der Bundesbürger stoßen Einreisebeschränkungen auf Zustimmung. Laut dem Meinungsforschungsinstitut YouGov wünschen sich sogar 68 Prozent der Befragten, dass der Flugverkehr nach Deutschland ganz eingestellt wird. Im ZDF-Politbarometer sprachen sich zudem 57 Prozent der Befragten für Grenzschließungen in der EU aus.

Wie soll gegen Verstöße vorgegangen werden? Innenminister Seehofer will die Kontrollen an den Flughäfen verschärfen und setzt an den Landgrenzen auf verstärkte Schleierfahndung, um Verstöße gegen Testpflichten zu entdecken. „Hinter der Grenze winkt dann die Polizei die Fahrzeuge raus und kontrolliert, ob die Fahrten berechtigt sind“, sagte er. Kontrollen direkt an den Grenzen seien aber nicht vorgesehen. Unterdessen hat Bundespolizeipräsident Dieter Romann Flugunternehmen vorgeworfen, sich nicht an die Vorschriften zu halten. „Allein in den letzten sechs Tagen hat die Bundespolizei bei der Einreise im Luftverkehr rund 600 Verstöße durch Luftfahrtunternehmen festgestellt“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Den Unternehmen drohten jetzt pro Verstoß und Passagier Bußgelder der Gesundheitsämter von bis zu 25 000 Euro, so Romann.

Welche Länder haben ihrerseits die Flughäfen für Reisende gesperrt? In Israel ist der internationale Flugverkehr bereits seit einer Woche weitgehend eingestellt. Norwegen will seine Grenzen für fast alle Ausländer dichtmachen.

Heißt das, dass Reisen für Bundesbürger auf lange Sicht kaum möglich sein wird? Nicht unbedingt, denn die Coronalage ist derzeit sehr unübersichtlich. Zwar besteht die Bedrohung durch die mutierten Viren. Andererseits gehen die Infiziertenzahlen aber in den meisten Regionen Deutschlands zurück.

Wann wird Reisen innerhalb Deutschlands möglich sein? Das ist schwer zu sagen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) legte kürzlich einen Stufenplan vor, der auch den Tourismus berücksichtigt. Er schlug vor, Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze wieder zu öffnen, wenn die Inzidenz in einem Bundesland 21 Tage lang stabil unter 50 liegt. Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Nadine Schön, warnte jedoch, man dürfte jetzt „nicht zu viele Versprechungen machen“.

Wird es bei Reiseveranstaltern, Hotels und Pensionen eine Pleitewelle geben? Zumindest ist mit Entlassungen zu rechnen. Im besonders vom Tourismus abhängigen Mecklenburg-Vorpommern hat eine Umfrage unter touristischen Betrieben ergeben, dass fünf Prozent eine Aufgabe ihres Geschäftes erwägen, wenn weitere Staatshilfen ausbleiben. Im bundesdeutschen Flugverkehr drohen nach Schätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft in den nächsten Jahren rund 60 000 der derzeit etwa 255 000 Arbeitsplätze wegzufallen.

Gibt es auch Profiteure der Krise? Ja, vor allem die Wohnmobil-Branche. Erstmals wurden in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 100 000 neue Wohnmobile und Wohnwagen verkauft, ein Plus von 6,3 Prozent gegenüber 2019.

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Erstellt:
01.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 01.02.2021, 06:00 Uhr

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