Die Tübinger Vesperkirche hat begonnen

Essen wie in einem richtigen Gasthaus

Schweineschnitzel oder Hirsekäseschnitten gab’s gestern zum Start der Tübinger Vesperkirche für die 250 Besucher in der Martinskirche.

29.01.2018

Von Miri Watson

Zirka 250 Gäste kamen gestern am ersten Tag der neunten Tübinger Vesperkirche zum MIttagessen.Bild: Metz

Zirka 250 Gäste kamen gestern am ersten Tag der neunten Tübinger Vesperkirche zum MIttagessen.Bild: Metz

Platten mit duftenden Kuchen werden herein-, das dreckige Geschirr wird herausgetragen. Zwischen den Tischen laufen Menschen mit Schürzen herum, die Teller mit warmen Essen balancieren: Es geht geschäftig zu, an diesem Sonntagmittag, dem ersten Tag der neunten Tübinger Vesperkirche.

Zur Begrüßung der Gäste steht Klaus Hoheisel am Eingang bereit. Er ist da, um Fragen zu beantworten und die Besucher an einen Tisch zu führen. Schon im siebten Jahr hilft er ehrenamtlich bei der Vesperkirche mit: „Ich habe im Ruhestand noch etwas gebraucht, ich war noch so fit“, sagt Hoheisel.

Mehr als nur Mittagessen

Die Vesperkirche, ist vom 28. Januar bis 24. Februar geöffnet. Außer einem warmen Mittagessen gibt es auch zahlreiche Angebote drumherum, beispielsweise Tanzen, Rechtsberatung und eine Augenarzt-Sprechstunde. „Ganz besonders finde ich hier die gute Stimmung unter uns Helfenden“, so Hoheisel, „Die überträgt sich auf den ganzen Raum“.

Bei der Essensausgabe gibt es keine Warteschlange. Die ehrenamtlichen Bedienungen kommen an die Tische und nehmen die Bestellungen auf. Heute steht Schweineschnitzel oder Hirsekäseschnitten mit Nudeln, Erbsen und Soße auf dem Speiseplan, zum Nachtisch frisches Obst. „Wir haben hier natürlich keine richtigen Menükarten“, sagt Pfarrer Christoph Cless, „Aber es ist uns wichtig, dass die Leute wie in einem richtigen Gasthaus bedient werden, jeder soll sich als Gast fühlen“.

Die Milieus sollen sich mischen

Es ist dem Organisationsteam der Vesperkirche ein Anliegen, den Ablauf so zu gestalten, dass „alle diskriminierenden Kleinigkeiten“, wie Cless sagt, vermieden werden. Es soll selbstverständlich sein, dass Menschen mit unterschiedlich viel Geld an einem Tisch zusammenkommen. „Wer eingeladen ist, muss nichts zahlen. Aber die Leute, die reich sind, sollen großzügig spenden“, so Cless. Das Ziel sei es, Milieugrenzen zu überschreiten. Daher freut es Cless, dass in den vergangenen Jahren auch zunehmend Geflüchtete das Angebot der Vesperkirche wahrgenommen haben: „Wir möchten, dass die armen Leute von hier und die Flüchtlinge sich kennenlernen, da sie oft gegeneinander ausgespielt werden. Wir sind der Meinung, dass es für beide Gruppen reichen muss in unserer reichen Welt.“

Beim Essen ist es leicht, ins Gespräch mit anderen Gästen zu kommen. Etwa mit Ludwig Wetzel, der die Vesperkirche seit sieben Jahren besucht. „Ich kenne viele der Leute, die hier mitarbeiten und es freuen sich immer alle, mich zu sehen“, sagt Wetzel. Er kommt außerdem gerne weil das Essen kostenlos ist, wegen der Busfahrkarten, die ausgeteilt werden und weil es die Möglichkeit gibt, sich die Haare schneiden zu lassen.

„Mit Blätterteig überbackene Trüffelsuppe wird’s hier wohl nicht geben, aber das Essen schmeckt okay“, so Wetzel. In den vergangenen Jahren sei es zwar manchmal ziemlich voll gewesen, aber: „Das Interesse im bürgerlichen Lager hat nachgelassen, ist mein Eindruck. Es kommt noch ein alteingesessener Kern und sonst eher Leute, die wenig Geld haben.“

Plätze für 350 Esser sind eingeplant

Im Schnitt kalkulieren die Veranstalter mit etwa 350 Essern am Tag, am Sonntag kamen etwa 250 Besucher zum Essen, alle fanden einen Sitzplatz. So auch Yasemin Straub, die gestern nur zum Mittagessen kam, sonst aber auch öfters mithilft: „Ich finde besonders gut, dass es hier so aufgebaut ist wie ein Restaurant. Dass man nett beieinander sitzen kann. Und wenn man möchte, kann man ins Gespräch miteinander kommen, auch generationenübergreifend.“

Wer die Vesperkirche häufiger besucht, hat gute Chancen, bei einem solchen Gespräch mal auf Micha Fuhrer zu treffen, der allen als Micha der Hausmeister bekannt ist, da er ehrenamtlich alle Hausmeistertätigkeiten übernimmt. Der Frührentner ist der erste der morgens kommt und der letzte, der am späten Nachmittag geht. Auch er sagt, dass es die Atmosphäre ist, wegen der die Vesperkirche besonders ist: „Hier trifft man sämtliches Klientel – von Obdachlosen bis zu den Ärzten.“

Das Programm der Tübinger Vesperkirche

Noch bis 24. Februar findet die Vesperkirche in der Martinskirche statt. Täglich von 11.45 bis 14 Uhr wird das Essen ausgegeben, außerdem gibt es täglich frischgebackene Kuchen. Am Donnerstag,1. Februar, wird um 19 Uhr die Ausstellung von TAGBLATT-Zeichner eröffnet, die parallel zur Vesperkirche gezeigt wird, am Freitag, 2. Februar, ist um 19 Uhr in der Stiftskirche ein Benefizkonzert mit Lehrer/innen der Musikschule. Täglich während des Mittagessens gibt es wechselnde Angebote wie Haarschnitte, ärztliche Untersuchungen oder Gesprächskreise. Mehr Informationen gibt’s direkt in der Vesperkirche oder unter www.vesperkirche-tuebingen.de.

Zum Artikel

Erstellt:
29.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 29.01.2018, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!