Biografie Matthias Erzberger

Erzberger: Vom Polit-Star zum Mordopfer

Erst wollte Erzberger den Krieg, dann übernahm er die Verantwortung, ihn zu beenden. Nicht nur deshalb hatte er so viele Feinde.

24.08.2021

Von Martin Tröster

Buttenhausen. Matthias Erzberger war klug genug, um zu ahnen, was ihn erwartete: „Die Kugel, die mich treffen soll, ist schon gegossen“, vertraute er seiner Tochter an. Als politischer Mord von Rechts steht sein Tod auch symbolisch für das Scheitern der Weimarer Republik – und den Aufstieg der Nazis.

Erzberger wird 1875 in Buttenhausen bei Münsingen (Kreis Reutlingen) als Sohn eines Schneiders geboren. Der hochbegabte Junge darf eine höhere Schule besuchen und wird erst Lehrer, dann Redakteur. Früh engagiert sich der tiefgläubige Katholik für das „Zentrum“, eine katholisch geprägte Partei. Erzberger erwirbt sich einen Ruf als „Anwalt der kleinen Leute“. Mit 28 Jahren wird er Reichstagsabgeordneter. Im Reichstag prangert Erzberger Misswirtschaft und Gewalt in den Kolonien an – und macht damit den kaisertreuen Eliten klar, dass die Musik im Parlament spielt. Der begnadete Redner und intellektuell brillante Raufbold stürzt sich scheinbar ohne Furcht in jeden Kampf. Ein Star ist geboren – und eine Hassfigur. Denn spätestens von jetzt an wird Erzberger von rechten Eliten aufs Heftigste angefeindet.

Krieg als Wendepunkt

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, freut sich zunächst auch Erzberger . Doch er korrigiert sich früh und begreift, dass der Krieg für das Reich nicht zu gewinnen ist. 1918 wird er Reichsminister. Als Leiter der Waffenstillstandskommission beendet er im November 1918 faktisch den Krieg, als er im französischen Compiègne den Waffenstillstandsvertrag unterschreibt. Führende Militärs um Paul von Hindenburg und Erich von Ludendorff hatten Erzberger gedrängt, Frieden zu schließen, nach vier Jahren Krieg war das Heer am Ende. Nach dem Krieg waren Hindenburg und Ludendorff bedeutende Verfechter der „Dolchstoßlegende“ – einer Lügenpropaganda, derzufolge die Armee auf Siegeskurs gewesen sei, aber von hinten durch Parlamentarier um Erzberger erdolcht worden wäre.

Erzberger peitschte auch den Friedensvertrag von Versailles durch den Reichstag, obwohl auch er die Bedingungen als höchst ungerecht empfand. Als Finanzminister setzte Erzberger 1920 seine Steuerreform durch, mit der das Reich die Steuerhoheit erhält – und erstmals auch Vermögende empfindlich besteuert werden. Der Hass rechter wie vermögender Kreise auf ihn wächst und wächst. Erzberger war damals, um einen Zeitgenossen zu bemühen, vielleicht tatsächlich „der bestgehasste aller deutschen Politiker“.

Am 26. August 1921 wird Erzberger bei Bad Griesbach im Schwarzwald von zwei Ex-Marineoffizieren erschossen, im Auftrag der rechtsextremen Organisation Consul. Die Mörder setzten sich ins Ausland ab, wurden unter Hitler begnadigt und gefeiert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Täter 12 und 15 Jahre Haft . Nach wenigen Jahren kamen sie wieder frei. mart

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Erstellt:
24.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 24.08.2021, 06:00 Uhr

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