Hintergrund · Inflation

Der Spielraum des Staates

Kann der Staat die Inflation beliebig steuern und damit auch abschaffen, indem er über die Geldmenge und Steuern die Wirtschaft lenkt?

12.06.2021

Von Dieter Keller

In den USA steigen die Preise derzeit kräftig. Foto: Drew Angerer/afp

In den USA steigen die Preise derzeit kräftig. Foto: Drew Angerer/afp

Das ist zumindest eine der Thesen der Modern Monetary Theory (MMT), also der Modernen Geldtheorie, die in den USA im linken Spektrum viele Anhänger hat, aber auch in Deutschland, etwa den Berliner Volkswirtschafts-Professor Dirk Ehnts. Nach ihren Ideen kann der Staat von der Notenbank praktisch unbeschränkt Geld bekommen und so für Vollbeschäftigung, Preisstabilität und Nachhaltigkeit bei den Investitionen sorgen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz mache daher keinen Sinn.

Lange Zeit galt unter Volkswirten als ausgemacht, dass ein Steigen der Geldmenge zu Inflation führt. Und in den letzten Jahren wuchs die Geldmenge stark. Trotzdem ist die Inflation seit Jahrzehnten in den meisten Industrieländern „weitgehend tot“, konstatiert der Ex-Wirtschaftsweise Bert Rürup. Denn die Globalisierung habe viele Produkte billiger gemacht und die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften gebrochen, da Arbeitgeber nicht nur mit der Verlagerung von Produktion in Niedriglohnländer drohen, sondern dies tatsächlich tun könnten. Die Digitalisierung führe zu einer geringeren Kapitalintensität des technischen Fortschritts. Und da weltweit immer mehr fürs Alter sparten, aber die Nachfrage nach Kapital nicht zunehme, seien die Zinsen seit geraumer Zeit im Sinken begriffen.

Ein Blick auf Länder mit hoher Inflation wie Argentinien oder die Türkei zeigt, dass die MMT zumindest nicht überall funktioniert, wendet der Fondsmanager Christoph Bruns ein. Mit internationaler Verflechtung, Abhängigkeit vom Öl und Auslandsschulden klappt es offenbar für kleinere Länder nicht. Funktioniert die Theorie nur in den USA – oder dient sie dort als Legitimation für ständig neue Staatskredite statt Sparen?

Ein Problem kann werden, wenn der Staat Güter, Dienst- und Arbeitsleistungen nur zu höheren Preisen bekommen kann, als er eigentlich ausgeben will, gibt Ehnts zu. Dann nehme er in Kauf, dass er Inflation auslöst. Die aber könne er bremsen, wenn er – etwa bei Vollbeschäftigung – seine Ausgaben senkt. Genau das klappt nicht, geben Praktiker zu bedenken: Der Staat spart nie. Gerade dann nicht, wenn die Wirtschaft gut läuft.

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Erstellt:
12.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 12.06.2021, 06:00 Uhr

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