Tübingen

Interview mit Routinier Till Jönke – „Das ist einfach was Verrücktes“

Wie Routinier Till Jönke von den Tigers Tübingen in den Playoffs sein Leben umstellt und was er sogar lange Fahrt nach Bremerhaven abgewinnen kann.

03.05.2023

Von Vincent Meissner

Archivbild: Fabian Lämmle

Archivbild: Fabian Lämmle

Herr Jönke, rasieren Sie sich noch mal vor dem Beginn der Playoffs und lassen sich dann einen Playoff-Bart stehen?

Wie man mich kennt, bin ich immer schon etwas voraus und habe mich letzte Woche noch mal rasiert (lacht). Da sah ich dann aus wie ein Zwölfjähriger. Aber es geht ja dann immer recht schnell. Hoffentlich spielen wir lange, damit es ein richtiger Bart wird.

Und alle im Team müssen mitmachen?

Naja, es gibt keinen Zwang. Aber wir sind so eine geschlossene Gruppe, da machen schon alle mit.

Die Tigers spielen erst zum zweiten Mal in ihrer Geschichte Playoffs. Wie sieht Ihre persönliche Playoff-Bilanz aus?

Die ist ganz gut. Letztes Jahr haben wir es ja ins Finale geschafft. Und auch in der Bundesliga habe ich mit Ulm damals die Vizemeisterschaft geholt.

Was macht die Playoffs aus?

Das ist einfach was Verrücktes. Du machst jetzt den ganzen Spaß seit zehn Monaten und bist jetzt an einem Punkt angekommen, an dem es um alles geht. Jetzt musst du noch mal alles bündeln. Bei mir persönlich ist es so, dass ich nicht weiß, wie oft ich das noch haben werde, deshalb gehe ich hier mit noch mehr Vorfreude rein. Aber Druck fühle ich nicht. Wir freuen uns. Gegen Karlsruhe war die Stimmung schon so unfassbar schön, was da für eine Energie geherrscht hat. Wenn wir die Halle zum Heimauftakt in den Playoffs wirklich mal richtig vollmachen könnten, das wäre mein größter Wunsch mit den Fans einfach ein Basketball-Fest feiern – natürlich neben einem Sieg. Die Halle war ja seit Jahren nicht mehr komplett ausverkauft.

Ist das ein bisschen enttäuschend für die Mannschaft, dass bisher nicht mehr Leute kamen?

Gar nicht. Ich sehe es als megapositiv, dass das Feedback kommt. Es ist ja schön, dass die Leute sich langsam wieder trauen nach Corona, mit der Krise und so eine Euphorie zusammen genießen.

Was ändert sich in der täglichen Routine in dieser Playoff-Zeit mit vielen eng getakteten Spielen?

Was du schauen musst, dass du mit deinem Körper hinterherkommst. Das mit dem Reisen ist schwierig. Da musst du versuchen, so viel wie möglich zu regenerieren und zu schlafen. Ich bin ein Mensch, der sich sehr zurückzieht in die Familie. Ich verbringe dann sehr viel Zeit mit meiner Tochter und les’ ihr noch drei Bücher mehr vor und lieg’ ganz entspannt mit ihr im Bettchen. Ich bin da nicht mehr so viel draußen anzutreffen.

Was sagen Sie zum Viertelfinal-
Gegner Bremerhaven?

Das Einzige, was negativ ist, ist die Fahrt. Aber das gehört zu Playoffs dazu. Von der Spielstärke her darfst du eh keinen unterschätzen.

Wobei Bremerhaven in den ver-
gangenen Wochen sehr gut drauf ist.

Ja, aber ich bin da immer ganz vorsichtig, weil Playoffs wie eine eigene Liga sind. Wir haben Heimvorteil, aber ansonsten sind die Karten ganz neu gemischt. Das Negative ist die Fahrt, aber die müssen genauso reisen wie wir.

Immerhin gibt’s so die Möglichkeit auf viele Runden Monopoly und
Kartenspiele im Bus. Das gibt’s bei den Tigers ungewöhnlicherweise ja noch trotz Smartphones und W-Lan.

Ja, das habe icht auch gesagt. Man muss das Positive sehen: Ist doch schön, mit so einer tollen Mannschaft noch mal so intensiv so viel Zeit verbringen zu dürfen.

Wie man hört, wird in den Spiele-
runden ganz schön laut gefeixt?

Wir haben auf jeden Fall unseren Spaß (lacht). Monopoly kann man ja immer nur zu viert spielen. Beim Kartenspielen sind dann eigentlich immer alle dabei.

Sie sind ja auch der Initiator des Rituals vor den Spielen, bei dem sich die Tigers im Kabinengang anbrüllen? Der inzwischen in Kirchheim tätige frühere Tigers-Trainer Igor Perovic sprach neulich sogar von Gesang.

Mit Singen hat er sich vielleicht ein bisschen vertan – wobei ich schon öfter das Feedback bekommen habe, dass ich ein Engelsstimmchen habe (lacht). Tatsächlich ist es eher wildes Gegröle. Ich bin ja ein Verfechter des Gedankens, dass Basketball sehr viel mit Energie zu tun hat. Und so, wie die Fans uns Energie geben mit ihrer Anfeuerung, versuchen wir dadurch volle Motivation und vollen Fokus vor dem Spiel zu bekommen, bevor es rausgeht.

Würde der einst verlorene und wiedergekehrte Till Jönke eigentlich zum Franchise-Player der Tigers taugen,
also der Klub-Identifikationsfigur?

Für mich gibt es hier mehrere Franchise-Player. Manche sind jetzt schon seit drei Jahren hier und jeder kann sich eigentlich einen aussuchen. Ich würde mich jetzt nicht alleine so darstellen. Ich glaube, hier ist einfach die Mannschaft der Franchise-Player und jeder ist auf seine Weise ein wichtiger Teil.

Bei Ihrem ersten Engagement vor Jahren hier in Tübingen gerieten
Sie mit Ihrem damaligen Mitspieler Mahir Agva in der Stadt in eine
Auseinandersetzung, was damals
einen gewissen Wirbel verursachte. Inzwischen können Sie darüber
lachen, oder?

Jeder hat ja Raum und Zeit, um sich entwickeln zu können. Und wenn man dann mit 31 Jahren so dasteht, wie ich, dann ist da sicherlich nicht so viel falschgelaufen und man kann sich auch mal selber auf die Schulter klopfen. Man muss auch dazu sagen, dass das damals auch völlig überbewertet war. Falscher Ort und falsche Zeit und schon stehst du da im Rampenlicht. Was ich dazu heute sagen kann: Es ist einfach dumm und würde ich keinem empfehlen, wenn du mit fast 30 Punkten gegen Hagen verloren hast, wie wir damals, überhaupt rauszugehen. Das ist die Lehre daraus. Aber das kann ich den jungen Spielern ja auch nur so weitergeben, weil ich es durchlebt habe. Und wenn du reflektierst und aus Sachen, die nicht so gut gelaufen sind, lernst, ist das immer positiv, weil jeder Mensch eben Fehler macht.

Zur Person

Till Jönke, gebürtiger Düsseldorfer, begann seine Basketball-Karriere beim Deutschen Rekordmeister Bayer
Giants Leverkusen. Über Ulm kam er 2014 bundesliga-intern erstmals für ein Jahr nach Tübingen zu den damaligen Walter Tigers. Von 2015 bis 2021 spielte er für die White Wings Hanau in der 2. und 3. Liga. 2021 kehrte er mit seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter zurück nach Tübingen und schloss sich den Tigers an.

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Erstellt:
03.05.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 12sec
zuletzt aktualisiert: 03.05.2023, 01:00 Uhr

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