Glücklich wie Lazzaro

Glücklich wie Lazzaro

Märchenhafte Parabel um einen gutmütigen Knecht auf einem italienischen Bauernhof, der sich im Umbruch zurechtfinden muss.

25.09.2018

Von Dorothee Hermann

Glücklich wie Lazzarro
No VideoFile found.

Scheinbar zeigt sich eine archaische Welt, als endlich jemand das Licht anknipst: ein armseliges Dorf in einer kargen, zerklüfteten Berglandschaft, in der nachts die Wölfe heulen, und der Beau des Orts der Angebeteten mit seinen Kumpeln abends ein Ständchen singt.

Doch es ist der junge Lazzaro (herausragend: Adriano Tardiolo), der das heimliche Zentrum der hart arbeitenden Gemeinschaft ist. Er kümmert sich um die winzige, verwachsene Alte. Er setzt das verirrte Huhn wieder in den Stall, und er lässt sich ohne Murren die nächtliche Wolfswache aufnötigen. Alle nehmen seine Dienste als selbstverständlich hin, doch er hegt keinen Groll, sondern verrichtet wie ein moderner Heiliger ganz selbstverständlich, was gerade nottut. In seiner Arglosigkeit und Großzügigkeit ist er eine erstaunliche Gegenfigur zum grassierenden narzisstischen Triumphalismus.

Die italienische Regisseurin Alba Rohrwacher hat sich Lazzaro ausgedacht. Sie versetzt den kindhaften Mann in ein Italien, das man aus Fellinis „La Strada“ zu kennen meint, das aber immer deutlicher die stählernen Krallen der Gegenwart ausfährt. Dabei geben die scheinbar von innen heraus leuchtenden Bilder (Kamera: Hélène Louvart) den Figuren trotz der bedrückenden Enge ihrer Lebensumstände Licht und Freiheit.

In das prekäre Gefüge kommt eine zusätzliche Schärfe, als die adlige Grundbesitzerin auftaucht. Deren dandyhafter Sohn Tancredi stellt seinerseits Ansprüche an Lazzaro, der nun den Anforderungen zweier Welten gerecht werden muss. Doch Tancredi, der künftige Profiteur, hat die alte Ordnung genauso satt wie die jüngeren Dorfbewohner.

Trotz des archaischen Anscheins versetzt einen der Film sofort in eine zauberische Unsicherheit: Was für eine Zeit ist da zu sehen? Ist es die Vergangenheit, oder eher eine eigentümliche Märchenform der Gegenwart? Die eigenen Realitäts-Koordinaten verschwimmen – ganz so, wie es den Dorfbewohnern schließlich widerfährt.

Zeigt das Wunder eines Menschen, der andere nie danach beurteilt, was er von ihnen zurückbekommen könnte.

Zum Artikel

Erstellt:
25.09.2018, 23:04 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 56sec
zuletzt aktualisiert: 25.09.2018, 23:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport