China

„Auf Schwäche basiert“

China handelt häufig nicht aus einer Position der Stärke heraus. Die westliche Diplomatie sollte diese Erkenntnis im Umgang mit Peking stärker einbeziehen, sagt der australische Diplomat Geoffrey Raby.

11.01.2021

Von FABIAN KRETSCHMER

Geoffrey Raby, ehemaliger Botschafter Australiens in China Foto: privat

Geoffrey Raby, ehemaliger Botschafter Australiens in China Foto: privat

Sie haben vier Jahre lang als Botschafter Chinas Aufstieg zur Weltmacht verfolgt. Wie wird China die Weltordnung verändern?

Geoffrey Raby: Die neue Weltordnung formiert sich nicht gerade, sondern existiert bereits im Hier und Jetzt! Wir haben mit China und den Vereinigten Staaten zwei Weltmächte, wobei ich argumentiere, dass Chinas Einflusssphäre de facto über ganz Eurasien bis nach Warschau reicht. Auch Russland hat sich im Zuge der Sanktionspolitik zunehmend nach Osten gewandt. In dieser neuen Weltordnung hat Australien Schwierigkeiten, seinen Platz zu finden. In den letzten Jahren hat sich das Land zunehmend mit den Vereinigten Staaten verbrüdert, was keinen Sinn macht, da wir wirtschaftlich von China abhängen und auch von der Volksrepublik nicht strategisch herausgefordert werden.

Wohl kein Staat hat zuletzt stärkere wirtschaftliche Vergeltungsaktionen von China zu spüren bekommen – nur, weil ihr Premier Scott Morrison eine Untersuchungskommission zum Ursprung des Virus forderte.

Unsere bilaterale Beziehung ist derzeit stark von strategischem Misstrauen geprägt. Wenn es etwa um den Territorialstreit im Südchinesischen Meer geht oder auch beim Ausschluss von Huawei für das 5G-Netz, dann sind wir stets die Lautstärksten und Ersten. All das ist total antagonistisch – und auch unnötig. Uns fehlt das Gespür für Diplomatie, um solche Angelegenheiten zu lösen.

Wie meinen Sie das?

Man kann zwar in Chinas Staatsführung die bösartigsten Dinge hineinprojizieren, doch sind ihre Fähigkeiten durchaus eingeschränkt – etwa durch die Verteidigung von 22 000 Kilometern Landesgrenze oder aber einer völligen Abhängigkeit vom Weltmarkt in Bezug auf Mineralien und im Bereich Energien. Chinas Strategie basiert schlussendlich auf Schwäche, nicht Stärke – und einer existenziellen Unsicherheit, die die Politiker in Peking konstant spüren. Ein wichtiges Element Teil von Chinas Strategie ist bis heute die nationale Integrität – den Nationalstaat zusammenzuhalten in einer Welt, die von der Staatsführung als außerordentlich bedrohlich wahrgenommen wird. Vieles von Chinas Verhalten kann man auf diesen Weg verstehen.

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Erstellt:
11.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 11.01.2021, 06:00 Uhr

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