Tübingen

Missbrauch in der Therapie: Gericht verhängt Haftstrafe, Klinik ein Hausverbot

Im Prozess gegen einen Arzt, der eine Patientin der Tübinger Psychiatrie während der Therapie sexuell missbraucht haben soll, ist das Urteil gefallen: Das Schöffengericht verhängte zwei Jahre und sechs Monate Haft. Auch das Uniklinikum nimmt Stellung.

26.04.2024

Von job/lms

Symbolbild: Erich Sommer

Symbolbild: Erich Sommer

Das Verfahren am Tübinger Schöffengericht findet bundesweit Beachtung: Ein Arzt der Tübinger Psychiatrie stand wegen Vergewaltigung und 53-fachem sexuellen Missbrauch einer Patientin vor Gericht. Er hatte über mehrere Monate regelmäßig bei Therapiesitzungen Sex mit ihr gehabt – auch in seinem Arztzimmer in der Tübinger Uniklinik für Psychiatrie. Sexuelle Beziehungen aber sind in einer Behandlung selbst einvernehmlich als Missbrauch strafbar, da zwischen einem Therapeuten und seiner Patientin ein besonderes Macht- und Verantwortungsverhältnis besteht.

Angeklagter räumt Beziehung ein

Der Angeklagte hatte im Verfahren die Beziehung eingeräumt. Er bestritt aber, dass es eine Therapie gegeben habe: Die Gesprächs seien keine Behandlungen gewesen, deshalb habe er auch nichts darüber dokumentiert.

Ursprünglich hatte ihm die Tübinger Staatsanwaltschaft außerdem eine Vergewaltigung vorgeworfen, da der erste Sex zwischen beiden nicht einvernehmlich gewesen sein soll. Die aber sah der Anklagevertreter am Ende nicht als erwiesen an. Er forderte für den Missbrauch innerhalb des Behandlungsverhältnisses zwei Jahre und sechs Monate Haft.

Nebenklage forderte 4 Jahre Haft

Der Nebenklageverteter ging noch weit darüber hinaus: Er beantragte vier Jahre Haft, die höchste Strafe, die ein Schöffengericht verhängen kann. Die Verteidigerin hatte einen Freispruch gefordert.

Die Richter folgten am Ende der Forderung der Staatsanwaltschaft. Sollte das Urteil bestand haben, müsste der Arzt ins Gefängnis: Freiheitsstrafen können nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Uniklinikum: Hausverbot und Kündigung

Nach dem Urteil reagierte das Uniklinikum, zu dem die Tübinger Psychiatrie gehört, mit einer Pressemitteilung: „Der Mitarbeiter war gesetzlich dazu verpflichtet, im Rahmen der Therapie für das körperliche und psychische Wohlergehen seiner Schutzbefohlenen zu sorgen. Gegen diese Vorschrift hat er vielfach verstoßen. Der Vorstand des Uniklinikums distanziert sich deshalb ausdrücklich von seinem Handeln, da dieses gegen den moralischen und ethischen Arbeits- und Behandlungskodex des Klinikums verstößt. Dieser bildet das Fundament für ein respektvolles und professionelles Verhältnis zwischen Patientinnen bzw. Patienten und Mitarbeitenden.“

Der verurteilte Arzt ist nun mit sofortiger Wirkung freigestellt. Die Klinik leitete ein Kündigungsverfahren ein. Außerdem hat der Mann nun ein Hausverbot für das gesamte Gelände und die Gebäude der Psychiatrie.

 



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Lesen Sie auch den ausführlichen Bericht und den Kommentar von Lisa Maria Sporrer.

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Erstellt:
26.04.2024, 15:54 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 26.04.2024, 15:54 Uhr

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