Neuanfang bei den Walter Tigers

Tübingen. (Personal-) Not macht erfinderisch: Im Tigers-Training vor wenigen Wochen hat der Coach sogar selbst mitgespielt, neben Assistent Aleksandar Nadjfeji zog auch Tyron McCoy wieder die kurzen Hosen an. „Mir tut alles weh, ich habe seit Jahren nicht mehr gespielt“, gestand der 43-Jährige anderntags. Doch da die Tübinger angesichts der verletzungsbedingten Ausfälle teilweise nur sechs Profis im Trainingsbetrieb hatten, nahmen auch die Coaches an den Übungen teil.

Mittlerweile hat sich die Personalsituation zumindest etwas entspannt: Zum Liga-Start am Wochenende in Bremerhaven fehlen „nur“ noch Alvaro Munoz, Yasin Kolo und Mauricio Marin, für den an der Schulter operierten Stanton Kidd kam Rückkehrer Garlon Green. Der Dunk-Champion der Liga deutete in der Vorsaison riesiges Potenzial an – sollte der 25-Jährige Interesse an Reboundarbeit und Verteidigung entwickeln, könnte er endgültig den Durchbruch schaffen. Vorerst läuft Greens Vertrag nur für drei Monate, bis Kidds Schulter ausgeheilt ist.

Wenn man dem fast schon unheimlichen Verletzungspech etwas Positives abgewinnen kann, dann dies: Durch die Ausfälle rückte das Team noch enger zusammen, auch die verletzten Spieler verpassten kaum eine Einheit – möglicherweise entstand eine Jetzt-erst-recht-Mentalität in der Mannschaft.

Hart getroffen hat McCoy indes der Ausfall von Dezmine Wells: Den US-Amerikaner hatte er fest als Schlüsselspieler eingeplant, doch der Medizincheck machte einen Strich durch die Rechnung. Statt Wells kam Anthony Myles, in der Bundesliga noch unbekannt, aber mit Stationen in Italien und Ungarn Europa-erprobt. Das gilt auch für Barry Stewart. Mehr noch: Der Amerikaner hat es in Trier schon zu Bundesliga-Allstar-Ehren gebracht. Erfahrung in Ludwigsburg und Bayreuth weist Gary McGhee auf, der Center soll die Chefrolle in der Abwehr übernehmen. Kreativer Kopf der Offensive ist Jared Jordan, aber auch Alvaro Munoz soll Verantwortung übernehmen. Die solide Ausbildung in Spanien sei der große Vorteil des Flügelspielers, sagt McCoy. Vielseitig auch Julian Washburn, in der Verteidigung kann er fast auf jeder Position eingesetzt werden. Allerdings muss sich der US-Amerikaner gewaltig umstellen: Washburn spielte in der DLeague, wo einfach gezockt wird, wie die Basketballer sagen. Ein Lehrjahr im harten Profigeschäft vor sich haben die Eigengewächse Tim Deschner und Jeferson Hiller, auch College-Absolvent Yasin Kolo wird sich schwer tun, Spielzeit zu ergattern.

Ihren vielleicht größten Fang des Sommers haben die Walter Tigers in Mauricio Marin gemacht. Der frühere Junioren-Nationalspieler durchlief die Ausbildung in Berlin und München, kann sich jetzt zwei Jahre entwickeln. McCoy ist überzeugt: „Das ist einer wie Akeem Vargas.“

Offiziell gibt McCoy kein Saisonziel aus. Doch er macht klar: „Wir sind ehrgeizig, alle Spieler sind Wettkämpfer, deshalb haben wir sie geholt.“ In Einzelgesprächen machte der Coach unmittelbar vor Saisonstart jedem Akteur deutlich, was er von ihm erwartet. Die Fans erwarten vor allem eins: In der heimischen Paul-Horn-Arena wieder deutlich mehr Siege – im Vorjahr waren es kümmerliche drei Erfolge.