Fipronil-Skandal: Regionale Eier sind heiß begehrt

Haben die Tübinger Angst vor belasteten Eiern? Wir sprachen mit Produzenten und Konsumenten

Anfang August war bekannt geworden, dass vor allem in den Niederlanden Eier mit dem Insektizid Fipronil belastet sind. Die Verwendung von Fipronil ist bei Tieren verboten, die Lebensmittel produzieren. Das Insektizid wirkt giftig auf das menschliche Nervensystem, wenn belastete Eier in hohen Mengen konsumiert werden.

24.08.2017

Von Kathrin Kammerer

Mesut Akkus (rechts) verkauft Eier auf dem Wochenmarkt, daneben sein Bekannter Fuat Karayagiz.Bild: Sommer

Mesut Akkus (rechts) verkauft Eier auf dem Wochenmarkt, daneben sein Bekannter Fuat Karayagiz.Bild: Sommer

Seit dem Bekanntwerden des Fipronil-Skandals sind regionale Eier gefragt wie nie. „Die Leute kennen und vertrauen uns“, sagt Helga Blasy vom Geflügelhof Blasy in Betzingen. Sie verkauft ihre Eier aus Bodenhaltung auf Wochenmärkten in der Region: „Die Leute reden den ganzen Tag über die belasteten Eier, die machen sich schon Sorgen“, sagt sie. Auf ihrem Hof werden die Ställe mit Puder gereinigt, so wie es auch bei vielen Bio-Betrieben der Fall sei. „Da gibt es keine Fipronil-Gefahr“, kann sie ihre Kunden beruhigen. Der Eier-Verkauf sei gestiegen in den letzten Wochen.

Normal Rückgang in Urlaubszeit

Das Rottenburger Hofgut Martinsberg beliefert knapp 20 Läden und Bäckerei-Fillialen in Tübingen mit Bioland-Eiern. „Normal gehen in den Ferien die Bestellungen zurück, weil viele Leute im Urlaub sind“, weiß Manuela Kieslich vom Hofgut. Mit dem Bekanntwerden des Fipronil-Skandals habe sich das auch bei ihnen geändert.

„Es kommen zudem viele neue Kunden persönlich in den Hofladen“, sagt sie. „Manche rufen auch an und wollen sich nochmal versichern, dass unsere Bio-Eier fipronilfrei sind.“ Gleich am ersten Tag habe das Hofgut-Team auf den medialen Skandal mit dem Auslegen von Merkblättern reagiert. Auf diesen können Kunden lesen, dass am Martinsberg nur bio-zugelassene Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie Nützlinge zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden.

Besorgnis wegen des Skandals

Zur Bekämpfung der Blutmilbe setze man hier kein Insektizid ein, sondern deren natürlichen Feind, die Raubmilbe, erklärt Kieslich: „Sind alle Blutmilben gefressen, sterben die Raubmilben, weil sie keine Nahrung mehr finden.“ Ungefährlich für die Hennen und ihre Eier also. Außerdem reinige man auf dem Hofgut Ställe selbst und beauftrage keine externen Firmen.

Unter anderem der Marktladen am Europaplatz bezieht seine Eier vom Martinsberg-Hofgut. Hier weist seit dieser Woche ein Schild auf einen Lieferengpass hin. Inhaber Michael Schneider bestätigt die gestiegene Nachfrage: „Die Leute sind besorgt wegen der Belastung der Eier.“ Kieslich vom Hofgut erklärt, was den Lieferengpass noch verstärkt hat: „Normal stallen wir immer vor der Urlaubszeit aus, weil die Nachfrage da sowieso sinkt.“ Jetzt sei der Skandal aber mitten in die Urlaubszeit gefallen.

Man habe zwar schon neue Junghennen eingestallt, das geschehe sowieso immer Ende August. Deren Eier sind aber noch recht klein. Diese Junghenneneier werden im Marktladen nun eine Woche lang zum Sonderpreis für 35 Cent pro Stück angeboten. „So haben wir uns kurzfristig wegen des Engpasses beholfen“, sagt Kieslich.

Marktladen-Besitzer Schneider glaubt, dass das hohe Bio-Interesse aber nur von kurzer Dauer ist. „Das war bei jedem landwirtschaftlichen Skandal bisher so, da könnte man glatt die Uhr danach stellen.“ Besonders der BSE-Skandal vor 17 Jahren habe zu einer explosionsartigen Bio-Nachfrage geführt. „Wenn die Leute dann hören, dass alle Gefahren gebannt sind, ist ihnen Bio plötzlich wieder zu teuer“, sagt Schneider.

Hauptsache aus der Region

Auf dem Tübinger Wochenmarkt bietet Mesut Akkus seit vielen Jahren schon landwirtschaftliche Produkte aus Horb-Betra an. Unter anderem Eier, bio wie auch aus normaler Bodenhaltung. Einen Rückgang im Eier-Verkauf hat er nicht bemerkt. Er bestätigt, was auch die Hofladen-Besitzer sagen: „Die Leute kaufen weiter Eier, fast sogar noch mehr als davor. Sie wollen nur sicher sein, dass die Eier von hier sind.“ Sein Bekannter Fuat Karayagiz steht am Stand, die beiden Männer reden gerne, wenn es der Marktbetrieb erlaubt. „Ich hab schon vor dem Skandal nur Bio gekauft“, sagt Karayagiz. „Nie von Rewe oder Aldi.“ Und jetzt habe sich ja bestätigt, dass Bio besser ist.

Liefer-Engpass. Bild: Kammerer

Liefer-Engpass. Bild: Kammerer

Sind auch Eier aus dem Ländle belastet?

Für die mit dem Insektizid Fipronil belasteten Eier wird das gepanschte Reinigungsmittel Dega 16 als Ursache ausgemacht. Direkt nach Bekanntwerden des Skandals begann das Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg mit einem Sonderprogramm zur Überprüfung der regionalen Eier. 107 Proben wurden bis zum Beginn dieser Woche getestet, so Ministeriumssprecherin Isabel Kling: „Alle Proben waren negativ, bis auf den einen Fall aus dem Hohenlohe-Kreis.“ Die Laborergebnisse, welche Klarheit über die Herkunft der dort gefundenen, belasteten Eier schaffen sollen, erwartet sie am heutigen Donnerstag. „Wir werden auch weiter prüfen“, so Kling. Diese Prüfungen verlaufen „risikoorientiert“. Man teste also vornehmlich Eier aus größeren Ställen, da diese oft von externen Firmen gereinigt werden. „Aber auch kleinere Betriebe werden unter die Lupe genommen.“

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Erstellt:
24.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 24.08.2017, 01:00 Uhr

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TÜWest 24.08.201709:22 Uhr

Hier wurde mal wieder völlig unreflektiert eine Sau durchs Dorf getrieben und viele rennen hinterher. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine Untersuchung der belgischen Fibronil-Eier mit der höchsten Belastung durchgeführt und festgestellt, dass bei einem Erwachsenen mit einem Körpergewicht von 65 Kg erst bei einem Verzehr von 6 bis 7 Eiern PRO TAG der gesundheitsgefährdende Grenzwert überschritten wird. Aber das geht in diesem Hype natürlich unter. Wer diese Menge tasächlich verzehrt, gefährdet sich wohl schon vorher in anderer Weise. Aber wen interessiert das schon? Hauptsache, man hat mal wieder ein Skandälchen entdeckt und kann auf Produzenten, Bürokratie und Politik einprügeln.

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