Die Emotionen der Frauen

Filmfestspiele: Ein Löwe für die Philippinen und Freudentränen bei Paula Beer

Gerührt nahm Paula Beer den Preis als beste Nachwuchsschauspielerin in Venedig entgegen. Es ist die erst dritte Auszeichnung für eine Deutsche.

12.09.2016

Von ALIKI NASSOUFIS, DPA

Ausgezeichnet: Für ihre Rolle in „Frantz“ ist Paula Beer in Venedig als beste Nachwuchsschauspielerin geehrt worden. Foto: Filippo Monteforte/afp

Ausgezeichnet: Für ihre Rolle in „Frantz“ ist Paula Beer in Venedig als beste Nachwuchsschauspielerin geehrt worden. Foto: Filippo Monteforte/afp

Venedig. Die Aufregung ist ihr zunächst nicht anzumerken. Gerade erst hat die 21-jährige Paula Beer beim Filmfest Venedig die Auszeichnung als beste Nachwuchsschauspielerin angenommen. „Ich kann nicht glauben, dass ich hier stehe“, sagt sie am Samstagabend in perfektem Englisch vor Hunderten Galagästen – und kämpft dann doch mit den Tränen. Besonders emotional wird sie, kurz bevor sie von der Bühne geht. Da streckt sie ihre Trophäe in die Höhe und dankt ihrer „Mama“.

Es ist die erst dritte Auszeichnung für eine deutsche Darstellerin in der Geschichte des Festivals. Als beste Schauspielerin waren zuvor Katja Riemann (2003/„Rosenstraße“) und Lilli Palmer (1953/„Das Himmelbett“) ausgezeichnet worden. Die Jury würdigt damit Beers nuanciertes Spiel in dem Drama „Frantz“, in dem der Franzose François Ozon eine berührende Geschichte von Vergebung und Annäherung verfeindeter Gesellschaften nach dem Ersten Weltkrieg erzählt. Beer spielt eine junge Frau, die um ihren gefallenen Verlobten trauert, sich dann aber mit einem französischen Soldaten anfreundet.

Die Bezüge zur Gegenwart drängen sich dabei auf. „Solche Probleme wiederholen sich in unseren Gesellschaften immer wieder“, sagte die Schauspielerin dann nach der Verleihung. Der Film zeige, wie „Angst vor Fremden oder Ausländern anfängt“. In „Frantz“ spricht Paula Beer Deutsch und Französisch. Die Herausforderung sei gewesen, ihre Emotionen auch auf Französisch ausdrücken zu können. Sie habe viel daran gearbeitet, diese Verbindung zu schaffen: „Dass ich in dem Französischen meine Emotionen finde und da genauso frei spielen kann wie im Deutschen.“

Es war der erste große Preis des Abends, wenige Momente später ging die höchste Auszeichnung des Festivals zum ersten Mal an die Philippinen: Regisseur Lav Diaz gewann überraschend den Goldenen Löwen für sein Drama „The Woman Who Left“. „Dies ist für mein Land, für mein Volk, für unseren Kampf und den Kampf um Menschlichkeit“, rief Diaz. Sein knapp vierstündiges Drama in Schwarz-Weiß erzählt von Korruption und Armut. Er fokussiert sich dabei auf eine Frau, die 30 Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis saß. Als sie freikommt, steht sie vor den Scherben ihres Lebens.

Überhaupt standen in den Beiträgen oft Frauen im Mittelpunkt, und das spiegelte sich auch in den Preisen wieder: Der Spezialpreis der Jury ging an das Kannibalendrama „The Bad Batch“ der Regisseurin Ana Lily Amirpour, eine starke neue Stimme in der Filmwelt. Für das beste Drehbuch wurde Noah Oppenheim ausgezeichnet. Er erzählt in „Jackie“ vom Attentat auf den US-Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1963 – aus Sicht von dessen Ehefrau Jackie (verkörpert von Natalie Portman).

Hollywoodstar Emma Stone wiederum überzeugte in dem nostalgisch-beschwingten Musical „La La Land“ und gewann dafür die Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin. Sie habe schon immer den ganzen Tag singen und tanzen wollen, erklärte die 27-Jährige. „Für mich ist damit ein Traum wahr geworden.“

Mit ihren Entscheidungen gelang es der Jury um Regisseur Sam Mendes auch, das große Spektrum des diesjährigen Wettbewerbs abzubilden. Der deutsche Regisseur Wim Wenders ging zwar leer aus. Zwei weitere deutsche Koproduktionen gewannen aber zu gleichen Teilen die Trophäe für die beste Regie: Der Mexikaner Amat Escalante kreierte mit „The Untamed“ ein science-fiction-artiges Drama über Lust und Sex mit einem Alien, während der Russe Andrej Kontschalowski in „Paradise“ von den Gräueln in einem Nazi-Vernichtungslager erzählte.

Der Modedesigner Tom Ford hingegen legte mit „Nocturnal Animals“ einen visuell eindringlichen Thriller mit Amy Adams und Jake Gyllenhaal vor – und nahm nun den Großen Preis der Jury entgegen, die zweitwichtigste Auszeichnung des Filmfestes.

Möglicherweise werden diese Preise für einige dieser wichtigen Filmwerke auch nur die ersten von vielen sein. Schließlich bewies Festivalleiter Alberto Barbera schon in den vergangenen Jahren ein gutes Gespür bei seiner Auswahl für den wettbewerb: Einige Filme, die zuletzt bei den Oscars abräumten, hatten ihre Premiere in der italienischen Lagunenstadt gefeiert. Die Chancen sind also groß, dass wir von den Venedigfilmen bald noch mehr hören werden.

Pierre Niney als Adrien und Paula Beer als Anna in einer Szene aus „Frantz“. Foto: X-Verleih/NFP/dpa

Pierre Niney als Adrien und Paula Beer als Anna in einer Szene aus „Frantz“. Foto: X-Verleih/NFP/dpa

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Erstellt:
12.09.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 02sec
zuletzt aktualisiert: 12.09.2016, 06:00 Uhr

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