Wollverarbeitung vom Feinsten

Eine seltene und voll funktionsfähige Dreikrempelsatzmaschine fürs Industriemagazin

Sie ist 18 Tonnen schwer, 18 Meter lang und steht seit kurzem im Industriemagazin. Gestern wurde der Dreikrempelsatz, eine voll funktionsfähige Maschine zur Verarbeitung von Wolle und Baumwolle, der Öffentlichkeit präsentiert.

30.11.2016

Von Uschi Kurz

Eine seltene und voll funktionsfähige Dreikrempelsatzmaschine fürs Industriemagazin

Dabei zeigte sich, dass der Maschinen-Oldtimer, an der die vergangenen acht Jahrzehnte zunächst am Technikum und später an der Hochschule Studierende ausbildet wurden, nicht nur Textilingenieure zum Schwärmen bringt. Die Maschine sei eine hervorragende Ergänzung, um die Industriegeschichte der Stadt Reutlingen darzustellen, betont Werner Ströbele, Leiter des Heimatmuseums, dem das Industriemagazin angegliedert ist.

Die Neuanschaffung wäre ohne die Unterstützung mehrerer Beteiligter gar nicht möglich gewesen, denn die Demontage und der Transport von der Hochschule gestalteten sich schwierig, erklärt Prof. Harald Dallmann, Vizepräsident der Hochschule Reutlingen. Eine Spezialfirma musste beauftragt werden, die Demontage- und Umzugskosten beliefen sich auf insgesamt 34 000 Euro, die über Spenden unter anderem vom Campus-Verein finanziert wurden. „Jetzt darf die Dame nach 83 Jahren in den verdienten Ruhestand“, meint Dallmann, der selbst noch auf der Maschine gelernt hat. Eigentlich handelt es sich sogar nur um Vorruhestand, denn auch im Industriemagazin steht sie weiterhin für Ausbildungszwecke zur Verfügung – und läuft ab und zu. Dass sie das noch kann, demonstrierte die alte Dame gestern eindrucksvoll.

Auch Eric Jürgens von der Ebinger Firma Groz-Beckert, die mit einer Spende dazu beitrug, dass der Umzug ins Industriemagazin zustande kam, findet es wichtig, „dass sie zu Lehrzwecken erhalten bleibt“. Seine Firma fertigte einst Ersatzteile für den Dreikrempelsatz und hat an der Hochschule einen Dokumentarfilm über die Arbeitsweise dieser Maschine gedreht, der künftig auch im Industriemagazin zu sehen sein wird. Hubert Krämer vom Förderverein Industriemuseum, der sich ebenfalls mit 10 000 Euro beteiligt hat, zeigt sich glücklich über die Neuanschaffung. Noch immer sei die bedeutende Industriegeschichte der Stadt ein blinder Fleck. Sein Verein wolle zeigen, wie früher produziert wurde. Die Krempelmaschine sei dafür beispielhaft: „Da kapiert man, was man tut.“

Ramazan Selcuk (rechts im Bild), der an der Hochschule Reutlingen für die Fasertechnologie verantwortlich ist, lernte die Krempelmaschine bereits im Studium kennen: „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Der Begriff Krempel, erklärt er, kommt von Krampe, das bedeute Haken. Die wiederum sorgen in einer großen Trommel dafür, dass die zunächst ganz wirren Fasern immer weiter vereinzelt und kardiert werden. In weiteren Fertigungsgängen entsteht nach und nach ein loses Vlies und später das fertige Garn.

495 Stellen müssen regelmäßig geschmiert werden, damit der Dreikrempelsatz wie am Schnürchen läuft. An der Hochschule übernahm Selcuk diese Arbeit selbst, jetzt übergab er an Hans-Joachim Helle (links im Bild) vom Industriemagazin.Bild: Haas

Vom Kastenspeiser bis zur Nitschelhose

Der Dreikrempelsatzwurde 1932 von der Chemnitzer Firma Hartmann nach genauen Vorgaben von Otto Johannsen für das Staatliche Technikum für Textilindustrie in Reutlingen gefertigt. Ein Jahr später wurde die Anlage, die damals 16 724 Reichsmark kostete, geliefert. Umgerechnet wären das heute etwa eine Million Euro. Weltweit gab es nur etwa 30 Dreikrempelsätze, heute existieren noch ganz wenige davon. Dreikrempelsatzmaschinen konnten nicht nur Baumwolle wie die Zweikrempelsätze, sondern auch ganz kurze Wollefasern verarbeiten. Die grobe Wolle wird vorne in den Kastenspeiser gefüllt – 18 Meter später wird das Garn dann zwischen den sogenannten Nitschelhosen verzwirbelt und kann aufgespult werden.

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Erstellt:
30.11.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 36sec
zuletzt aktualisiert: 30.11.2016, 01:00 Uhr

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