Tübingen · Weihnachtsspendenaktion
Die Geschichte von Hans – Das Ziel ist gut weiterleben
Alleine in einem fremden Land: Die Geschichte von Hans zeigt, wie es mit Unterstützung trotzdem gelingen kann, anzukommen.
Heute ist Hans 22 Jahre alt. Im vergangenen Juli hat er sein Fachabi gemacht. Jetzt ist er auf der Suche nach einer Ausbildung zum Fachinformatiker. Was sich so unkompliziert anhört, war kein leichter Weg für Hans. Denn aus dem Nichts ein Verhältnis zu einem Vater aufzubauen, den man nicht kennt, in einem Land und einer Kultur, die einem fremd ist, ohne Freunde – das ist eine Illusion, sagt Hans. Bei ihm war es das jedenfalls, obwohl es nicht anders lief, als bei vielen anderen Jugendlichen auch: Das Zimmer blieb unaufgeräumt, nicht alles Engagement galt der Schule und was der Vater sagte, wurde nicht immer postwendend umgesetzt. Trotzdem nimmt Hans seinen Vater heute in Schutz, obwohl er den Sohn nach zwei Jahren aus der Wohnung geworfen hat. „An einem Abend hat er zu mir gesagt: Du darfst morgen noch frühstücken und Zähne putzen, dann aber wird gepackt. Wenn ich von der Arbeit wiederkomme, bist du weg.“
Nachdem ihn sein Vater rausgeworfen hatte, schlief er ein paar Nächte bei einem Freund in der Garage. Aber das konnte ja nicht ewig so gehen. Also rief er beim Ordnungsamt an. Es hätte zwar die Möglichkeit gegeben, in der Obdachlosenunterkunft in der Siebenlindenstraße in Rottenburg unterzukommen. Aber eine Obdachlosenunterkunft für einen damals 19-jährigen Schüler? Der Mann vom Ordnungsamt kannte da jemanden, der Hans vielleicht helfen könnte. Und derjenige empfahl ihm, sich bei der „Oase“ zu melden.
Die „Oase“ hat für ihre Klienten in Rottenburg Wohnungen angemietet. Ein paar Monate lebte Hans mit jemanden in einer kleinen Zweizimmer-Wohnung zusammen, sogenannte Notplätze, bis in eine Wohnung vermittelt werden kann. Schließlich fand sich eine 38 Quadratmeter große Wohnung. Dort lebt Hans noch heute. „Am Anfang war das echt schwierig für mich“, sagt er. Seine Schulnoten wurden schlechter, er musste sich ausschließlich selber motivieren. „Ich hatte einfach niemanden im Hintergrund, so wie viele andere Kinder und Jugendliche das haben.“
Aber Hans hat es geschafft. Er mag Deutschland sehr, sagt er, während er im „Karo“ Klamotten sortiert und schwere Kisten an die richtige Stelle bringt. Er mag die Menschen in Deutschland sehr, sagt er, seine Freunde und all jene, die ihm bei der „Oase“ immer so unterstützt haben. „Es gibt in Rottenburg eine so große Hilfsbereitschaft, nicht nur mir gegenüber. Hier ist man für den anderen da“, sagt er. Sein Ziel ist: eine Ausbildung machen, Familie gründen „und dann weiter leben“. Aus Rottenburg will er nicht weg. „Ich will meinen sicheren Hafen nicht verlassen“, sagt Hans.
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Zum Dossier: TAGBLATT-Weihnachtsspendenaktion 2023