Gespielte Geschichte und ihre Folgen
Bonner Ausstellung zeigt, wie Filme das kollektive Bewusstsein prägen
Spielfilme prägen das kollektive Geschichtsbewusstsein mehr als Bücher oder Museen. Das Haus der Geschichte in Bonn wirft jetzt einen Blick darauf.
Bonn. „Wo können wir nachlesen, ob das wirklich so passierte?“ Eine fassungslose Zuschauerin konnte kaum glauben, was sie 1979 in der US-Serie „Holocaust“ erfuhr. Rund 10 000 Menschen meldeten sich bei der WDR-Sendung „Anruf erwünscht“, nachdem die Serie ausgestrahlt worden war. Viele sagten, dass sie nicht wussten, wie schlimm es in den Konzentrationslagern tatsächlich zugegangen war. Der Film hatte mehr bewirkt als Schulunterricht und Bücher.
„Spielfilme mit historischem Inhalt prägen das Geschichtsbild sehr viel mehr als Bücher oder Museen“, sagt der Leiter des Hauses der Geschichte, Hans Walter Hütter. Ein Grund für die Historiker, den Spieß einmal umzudrehen und den Film ins Museum zu holen. Die Ausstellung „Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm“ präsentiert insgesamt 274 Ausschnitte von Filmen, die Themen aus der deutschen Geschichte aufgreifen.
Dabei macht die Ausstellung, die bis zum 15. Januar zu sehen ist, deutlich: Die Filme basieren zwar auf historischen Ereignissen, „aber sie sind selbst Abbild ihrer Zeit und spiegeln zeittypische Bewertungen“, sagt Hütter. Das war ein triftiger Grund für die Historiker, die Geschichtsdeutung durch die Filmindustrie und ihre Wirkung einmal genauer zu beleuchten.
Dabei konzentriert sich die Ausstellung auf sieben Themenbereiche vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. In jedem Ausstellungsabschnitt wird ein besonders einflussreicher Film in Ausschnitten auf einer Großleinwand gezeigt. Ergänzt werden die Filmbilder durch einen Blick hinter die Kulissen. Rund 500 Exponate wie Drehbücher, Plakate und Requisiten, aber auch Interviews mit Schauspielern und Regisseuren geben Einblick in die Entstehungsgeschichten.
Ein Kapitel widmet die Ausstellung dem Thema Widerstand. Hier konzentrieren sich die meisten Spielfilme seit den 50er Jahren auf die Verschwörer des 20. Juli 1944. Die Filme tragen dazu bei, die Männer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg vom Vorwurf des Verrats und Eidbruchs zu befreien. Der jüngste Film zu diesem Thema, die US-Produktion „Operation Walküre“ (2008) traf auf ein geteiltes Echo. Ihr wurde vorgeworfen, Stauffenberg zur „Lichtgestalt“ zu stilisieren. Den Ausstellungsmachern gelang es, Hauptdarsteller Tom Cruise dazu zu bewegen, seine Kostüm-Uniform und den Bambi, den er für die Rolle erhielt, nach Bonn zu schicken.
Im Mittelpunkt des Ausstellungsabschnitts über den Zweiten Weltkrieg steht der ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ (2013), der die schuldhafte Verstrickung einfacher deutscher Soldaten in den Vernichtungskrieg thematisiert.
Ein beherrschendes historisches Thema der Nachkriegsgeschichte im Film ist neben der Abrechnung mit der Zeit des Wirtschaftswunders vor allem der Linksterrorismus der „Rote Armee Fraktion“ (RAF). Setzen sich frühere Filme verstärkt mit den Motiven der Täter auseinander, will der jüngste Film „Der Baader Meinhof Komplex“ (2008) mit der Gewaltkultur der RAF abrechnen.