Können Zimmerpflanzen lernen?

Zwei Tübinger Forscherinnen untersuchen, ob Mimosen ein Gedächtnis haben

Können sich Zimmerpflanzen „merken“, wann sie Wasser bekommen? Ein Tübinger Forschungsprojekt will diese und andere Fragen klären – mit Geld von der Volkswagen-Stiftung.

17.01.2016

Von ulrich janssen

Eine Venusfliegenfalle hat sich ein Insekt geschnappt. Bild: Patila/Fotolia

Eine Venusfliegenfalle hat sich ein Insekt geschnappt. Bild: Patila/Fotolia

Tübingen. Es klingt ein bisschen verrückt: Pflanzen, die wie Tiere auf Umweltreize reagieren, die Verhalten erlernen können und sich daran erinnern, wann sie gegossen werden? So etwas hielten bislang nur Leute für möglich, die den Pflanzen ein geheimes Leben und eine Seele zusprechen. Doch die beiden Tübinger Frauen, die das Lern- und Reaktionsvermögen von Pflanzen erforschen möchten, sind keine Esoterikerinnen. Michal Gruntman und Prof. Katja Tielbörger arbeiten am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen und bekamen gerade 100 000 Euro für ihr Forschungsprojekt „Pawlow’sche Pflanzen“.

Es war ein Artikel in der Zeitung, der die beiden Wissenschaftlerinnen auf die Idee brachte, sich mit dem Verhalten von Pflanzen zu beschäftigen. In dem Bericht war behauptet worden, dass Pflanzen über ein Gedächtnis verfügen. „Wir haben darüber diskutiert“, meint Michael Gruntman, „und beschlossen, das zu untersuchen.“ Die VolkswagenStiftung, die über das Programm „Experiment!“ regelmäßig unkonventionelle Forschungsansätze fördert, war von der Idee angetan und bewilligte den Forscherinnen 100 000 Euro.

Die aus Israel stammende Michal Gruntman ist derzeit als Post-Doc-Forscherin in Tübingen. Die Vegetationsökologin liebt Blumen, Gräser und Bäume und ist der Meinung, „das Pflanzen keineswegs nur passive grüne Wesen sind, sondern genau wie Tiere ein Verhalten aufweisen können“. So wie dem Hund in dem berühmten Experiment von Iwan Pawlow nach einem entsprechenden Glockenton das Wasser im Munde zusammenlief, so, glaubt sie, können auch Pflanzen auf eingeübte Signale reagieren. „Ich halte es für möglich, dass sich eine Pflanze, wenn sie täglich um vier Uhr gegossen wird, irgendwann darauf vorbereitet.“ Als Beispiel für eine lernfähige Pflanze führt sie die Mimose an, deren Blätter sich bei Berühung aufstellen. Irgendwann jedoch, wenn wiederholt keine Nahrung auftaucht, ignoriert die Pflanze den Reiz.

Die Mimose und die fleischfressende Venusfliegenfalle sind denn auch zwei der Pflanzen, deren Reaktion erforscht werden soll: Kann man sie dazu bringen, auf eingeübte Signale zu reagieren, lautet die Frage. Hinzu kommt gegebenenfalls eine beliebte Modellpflanze in der Biologie, die Ackerschmalwand.

Kann am Ende herauskommen, dass sich Pflanzen und Tiere gar nicht so sehr unterscheiden? Möglich ist zumindest, dass die Unterschiede etwas stärker verwischen. „Pflanzen können ihr eigenes Essen machen“, beschreibt Gruntman plakativ einen der wichtigsten Unterschiede. Tatsächlich ermöglicht die Photosynthese den Pflanzen, mit Hilfe von Sonnenenergie Kohlenhydrate zu erzeugen, etwas, was Tiere nicht können. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Pflanzen kein zentrales Nervensystem besitzen, mit dem sie alle Teile ihres Organismus steuern können. Nach Ansicht von Gruntman können die Pflanzen dies mit speziellen Botenstoffen wie etwa Hormonen ausgleichen. Sie sorgen für die Verbindung der Teile und machen die Pflanzen damit theoretisch ein bisschen mehr zum Tier.

Lernen Ihre Pflanzen?

Haben Sie auch Erfahrungen mit Pflanzen, die lernen können oder sich erinnern? Glauben Sie, dass Ihre Pflanzen so etwas wie Gefühle haben? Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Eindrücke schicken und werden sie gegebenenfalls veröffentlichen. E-Mail an: janssen@tagblatt.de

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Erstellt:
17.01.2016, 18:55 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 17.01.2016, 18:55 Uhr

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