Nächste Abfuhr für Olympia-Pläne

Wie in München 2013 stimmt auch in Hamburg eine Mehrheit gegen die deutsche Bewerbung

Die Hamburger lehnen Olympia ab. Im Referendum stimmte die Mehrheit überraschend gegen eine Bewerbung um Sommerspiele 2024. Nach München 2013 erlebt der deutsche Sport eine erneute Olympia-Pleite.

30.11.2015

Von DPA

Wie in München 2013 stimmt auch in Hamburg eine Mehrheit gegen die deutsche Bewerbung

Hamburg. Fiasko für Hamburg und für den deutschen Sport: Die Bürger der Hansestadt haben den Traum von Olympia 2024 für viele Beobachter überraschend platzen lassen. Schon kurz vor Auszählung aller Wahllokale räumte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Niederlage der Befürworter ein. Zu diesem Zeitpunkt lag das Lager der Gegner mit 51,6 der Stimmen uneinholbar vorn - eine herbe Enttäuschung auch für Scholz und den rot-grünen Senat. "Das ist eine Entscheidung, die wir uns nicht gewünscht haben. Sie ist aber klar", sagte Scholz.

Damit erlebte Deutschland seine zweite olympische Pleite binnen zwei Jahren. 2013 hatten München und Umgebung in einer Volksbefragung gegen Winterspiele 2022 votiert. Nachdem die Ausrichtung des größten Sportspektakels hierzulande erneut durchgefallen ist, hat sich Deutschland damit vorerst ins Abseits katapultiert. Da hilft auch nicht, dass die Kieler mit großer Mehrheit (65,57 Prozent) für Segel-Wettbewerbe stimmten.

Der Abend wurde zum Zitterspiel. Gegner und Befürworter lieferten sich lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das ZDF hatte mit einer Prognose die Auszählung eingeleitet, die 56 Prozent Zustimmung ausgemacht haben wollte. Ein Fehlurteil. Tatsächlich lagen mit der Auszählung der ersten Wahllokale die Gegner knapp vorn. Das verfestigte sich auf einen Vorsprung von rund vier Prozent. "Wir haben einen Stimmungswandel in der Stadt bemerkt", sagte Florian Kasiske aus dem jubelnden Lager der Initiative "NOlympia". "Die Menschen sehen, dass es Sachen gibt, bei denen das Geld besser angelegt ist." Für Scholz ist die Absage ein unerwarteter Tiefschlag. Er hatte Olympia als wichtigstes Projekt der Legislaturperiode ausgegeben. Die Stadtentwicklung sollte bis 2024 auf einen Stand gebracht werden, der normalerweise 20 bis 30 Jahre in Anspruch genommen hätte. Aus der Traum.

Die Frage Olympia ja oder nein hatte die Hamburger stärker mobilisiert als andere Themen. Runde 650 000 der 1,3 Millionen Wahlberechtigten gaben in dem vierwöchigen Verfahren ihre Stimme ab. Das entspricht einer Beteiligung von etwa 50 Prozent. "Ich bin enttäuscht und traurig. Es wäre eine große Chance gewesen", sagte der Vorstandschef des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV, Dietmar Beiersdorfer.

Die Teilnahme am Referendum überstieg vergleichbare Volksbefragungen in der Hansestadt deutlich. Am Volksentscheid über die Schulreform fünf Jahre zuvor hatten sich nur 39,3 Prozent beteiligt. Das amtliche Endergebnis steht erst am 15. Dezember fest.

Größte Bedenken hatten in der Hansestadt zuletzt wegen der ungeklärten Finanzierung geherrscht. Der Bund sträubte sich selbst wenige Tage vor Referendumsschluss, den von Hamburg errechneten Anteil in Höhe von 6,2 Milliarden Euro zu übernehmen. "Es geht um viel Geld. Und da werden wir uns am Ende schon einigen", versuchte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu beruhigen. Das gelang ihm offensichtlich nicht. Insgesamt sollten die Spiele 11,2 Milliarden Euro kosten. Maximal 1,2 Milliarden hätte Hamburg übernommen. Als Erlöse wurden 3,8 Milliarden Euro erwartet.

Zuletzt war den Olympia-Planern nach anfänglicher Euphorie der Gegenwind kräftig ins Gesicht geblasen. Im Frühjahr wollten noch 64 Prozent Olympia an die Elbe holen. Doch in Zeiten von Sport-Skandalen und Terrorangst bröckelte die Begeisterung zusehends.

Sieben Bewerbungsversuche schlagen fehl

Niederlagen-Serie Hamburg sollte zum vierten Mal Olympische Spiele nach Deutschland holen. Doch den Spielen von Garmisch-Partenkirchen und Berlin (beide 1936) sowie München (1972) stehen nun sieben gescheiterte Bewerbungen gegenüber. Vor dem Nein der Hamburger platzte schon Ende 2013 der Traum von Winter-Olympia 2022 in München an einem Bürgerbegehren. Demselben Schicksal fiel Hamburg im Rennen um die Sommerspiele 2024 am Sonntag zum Opfer.

Die Gescheiterten Garmisch-Partenkirchen für 1960 (Winter), Berchtesgaden für 1992 (Winter), Berlin für 2000 (Sommer), Leipzig für 2012 (Sommer), München für 2018 (Winter, mit Garmisch-Partenkirchen und Königssee), München 2022 (Winter, mit Garmisch-Partenkirchen, Berchtesgaden, Ruhpolding - allerdings vor offizieller Bewerbung durch negatives Bürgervotum) und nun Hamburg 2024 (Sommer, mit Kiel). Kurious: Nach Streitigkeiten zwischen dem Organisationskomitee und dem IOC wurden St. Moritz/Schweiz die Winterspiele 1940 am 9. Juni 1939 wieder entzogen und Garmisch zugesprochen. Die Absage erfolgte drei Monate später nach Ausbruch des Krieges.

Zum Artikel

Erstellt:
30.11.2015, 08:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 30.11.2015, 08:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport