Über aus der Zeit Gefallenes
Wer benutzt denn heute noch Whatsapp?
Neulich habe ich ein Fax bekommen. Ein Fax! Es war das erste in meinem Leben, das ich erhielt. Und ich hätte seine Ankunft beinahe verpasst.
Ich wartete auf eine Rückmeldung und prüfte deshalb im halbstündigen Takt die gängigen Kanäle. Ich rechnete mit einem Telefonklingeln, einer Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Von mir aus mit einer E-Mail, einer Facebook-Nachricht oder einer Whatsapp. Aber ein Fax? Man hätte mir genauso gut eine SMS schicken können. Die hätte ich wenigstens gesehen – während ich auf eine Whatsapp wartete.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will weder Fax-Sender noch deren Empfänger verunglimpfen oder belächeln. Genauso wenig das Medium, das eine Din-A-4-Seite in Kopie per Telefonkabel durch den Äther schickt. Viel mehr war ich erschrocken, wie fremd und fern mir selbst der Gedanke vorgekommen wäre, wichtige Informationen an eine andere Person per Fax zu übermitteln.
Dabei fiel mir auf, dass es sich bei diesem unerwarteten Kommunikationsvorfall wohl um den Ausdruck einer Generationsfrage handelte. Als ich begann, Schriftverkehr zu führen, der über zerknüllte Zettelchen zur Klassenkameradin zwei Reihen weiter hinausging, war die E-Mail bereits erfunden. Da war das Fax schon ein Anachronismus – wie das Wort selbst.
Eigentlich ist es schade um das Fax an sich. So wie um das analoge Einwahlmodem, das man in den späten 80ern und frühen 90ern bemühte, um Zugang zum World Wide Web zu erhalten. Und um dort die ersten E-Mails zu verschicken. Wichtig: immer mit dem Klammeräffchen in der Adresse. Ein sehr überholtes Wort.
Das erwähnte Modem sang beim Einwählen jedenfalls immer sein technisches und völlig amelodisches Piepslied von der Verbindung zur globalisierten Welt. Irgendwie war es ein verheißungsvolles Geräusch. Es versprach Neuigkeiten, Informationsaustausch, Verbindung zu Leuten, die weit weg sind. Ein bisschen wie das Rattern der Wählscheibe der alten Telefone mit Kabel. Auch so ein Geräusch aus vergangenen Zeiten.
Das Knacken der Nadel auf einer Schallplatte hingegen drohte mit der Erfindung der Compact Disc (CD) auch zu einem solchen zu werden. Aber wegen des sanften Rauschens und des haptisch ansehnlichen Formats hat das Vinyl Liebhaber gefunden und erfreut sich in Musikläden eines zweiten Frühlings. Anders ging es da unzähligen anderen ehemaligen Innovationen. Schade auch um den Mini-Disc-Player und um Telefonkarten.
Manchmal frage ich mich, welche Erfindungen wohl ausgestorben sein werden, wenn ich Kinder habe und sie erwachsen werden. Das Dieselauto scheint absehbar. Vielleicht frage ich in der Zukunft mal bei meinen Kindern nach, was nicht mehr ihrem Zeitgeist entspricht. Aber ich frage sie nicht etwa per Fax, sondern per Whatsapp. Dann werden sie mich auslachen und fragen: „Papa! Wer benutzt denn heute noch Whatsapp?“