Gemeinschaftsgefühl brachte Erfolg

Vor fünfzig Jahren gründete der Rottenburger Wilfried Ensinger das Unternehmen für Kunststoffverarbe

Ihr 50-Jahr-Jubiläum feierte die Ensinger GmbH mit Hauptsitz in Nufringen und unter anderen einem Werk in Ergenzingen. Der Rottenburger Wilfried Ensinger, der im Mai 80 Jahre alt wurde, gründete das Unternehmen einst in einer Garage.

30.06.2016

Von Gert Fleischer

Vor fünfzig Jahren gründete der Rottenburger Wilfried Ensinger das Unternehmen für Kunststoffverarbe

Ergenzingen. Nach den Anfängen in einer Garage in Ehningen hat sich der Kunststoffverarbeiter Ensinger innerhalb eines halben Jahrhunderts vom Kleinbetrieb zu einer internationalen Unternehmensgruppe entwickelt. Gemeinsam mit Mitarbeitern aus dem In- und Ausland und zahlreichen Ehrengästen aus Politik und Wirtschaft beging das Familienunternehmen sein 50-jähriges Bestehen kürzlich mit einem Festakt in der Böblinger Kongresshalle. Gastredner waren Prof. Berthold Leibinger und Altbundespräsident Horst Köhler. In Ergenzingen fand der zweite Teil der Jubiläumsveranstaltung statt. Mehr als 1300 Gästen aus aller Welt besuchten, wie Ensinger in einem Pressebericht mitteilt, „das bisher größte Mitarbeiterfest seit Gründung des Unternehmens“.

Ensinger ist in allen wichtigen Wirtschaftsregionen der Erde mit Fertigungsstandorten und Vertriebsniederlassungen vertreten. Klaus Ensinger und Roland Reber, die beiden Geschäftsführer, stellten in Böblingen den 500 geladenen Gästen die Firmengeschichte in einem mit Selbstironie und Anekdoten angereicherten Dialog vor. Sie beschrieben die Anfänge in den sechziger Jahren, in denen Wilfried Ensinger nach ausgefüllten Arbeitstagen regelmäßig Nachtschichten einlegte, um neue Verfahren zu testen oder Halbzeuge zu produzieren. Die ersten beiden selbst konstruierten Anlagen standen in einer Garage, deren Länge kaum ausreichte, um faserverstärkte Kunststoffe zu Rundstäben zu extrudieren. Bevor ein Strang die andere Straßenseite erreichte, wurde er mit einem Fuchsschwanz abgesägt.

Wilfried Ensingers Frau Martha brachte im ersten Jahr die fertigen Produkte mit dem Kinderwagen zum Bahnhof – bis das Gefährt unter der Last zusammenbrach. Sein Vater, erzählte Klaus Ensinger, habe das damals als gutes Zeichen gewertet und gesagt:. „Es geht aufwärts!“ Martha Ensinger unterstützte ihren Mann später durch ihre Sprachkenntnisse, als das Unternehmen ins Ausland expandierte.

Konstantes Wachstum prägte die Firmengeschichte, in keinem einzigen Jahr habe es Verluste gegeben. Ensinger machte Hohlkammerprofile möglich, diversifizierte erfolgreich mit neuen Produktlinien und startete zuletzt die erste Extrusion in Asien. Misserfolge verschwiegen Ensinger und Reber nicht: „Der Sprung über den großen Teich klappte erst im zweiten Anlauf“, sagten die beiden aktuellen Geschäftsführer, „zuvor scheiterte ein Joint Venture in den USA. Zu den Wunden, die nur langsam verheilen, gehören zugekaufte Betriebe, die später geschlossen werden mussten, und die Trennung von Mitarbeitern und Führungskräften.“

Die jetzige Geschäftsleitung blickt optimistisch in die nächsten Jahre. Die Unternehmensbereiche sollen enger zusammenarbeiten, es soll mehr Aus- und Weiterbildung geben. „Wir gehen fair miteinander um“, sagte Roland Reber. Klaus Ensinger ergänzte: „Gemeinschaftsgefühl ist der „Geist, der uns groß gemacht hat. Wir bleiben ein Familienunternehmen.“

Der 85-jährige Gesellschafter und frühere Chef der Trumpf-Maschinenfabrik Ditzingen Prof. Berthold Leibinger bezeichnete Wilfried Ensinger als einen „fast archetypischen Gründungsunternehmer“ und als „Leitfigur des Mittelstands“. Wie er, Leibinger, glaube Ensinger an die soziale Marktwirtschaft und sei überzeugt, dass Eigentum zur Gemeinnützigkeit verpflichtet. „Durch die Weiterentwicklung des Unternehmens und die Gründung der Wilfried-Ensinger-Stiftung haben Sie etwas für die Gesellschaft getan“, so Leibinger. Die 1998 gegründete Stiftung fördert soziale, wissenschaftliche und kulturelle Projekte langfristig.

Der ehemalige Bundespräsident Prof. Horst Köhler, seit vielen Jahren mit der Familie Ensinger befreundet, gratulierte „allen, die zur Erfolgsgeschichte beigetragen haben.“ Wilfried Ensinger sei es gelungen, eine „Belegschaft mit Spitzenkönnern zu formen“, auch international. „Innovationen, Qualitätsorientierung und Teamgeist haben diese Firma groß gemacht.“

Das Mitarbeiterfest beim Produktionswerk in Ergenzingen begann mit einem Fußballturnier. Im Endspiel um den „Ensinger Cup“ bezwang das Team der Tochtergesellschaft Ensinger Italia die Mannschaft aus dem Stammwerk Nufringen nach Elfmeterschießen. Abends feierte die Belegschaft im Festzelt zur Musik der Cover-Rock-Band Madison Bow.

Roland Reber

Roland Reber

Klaus Ensinger

Klaus Ensinger

Das Ende 2008 fertiggestellte Ensinger-Werk mit Spritzguss-Produktion in Ergenzingen. Unten links sind zudem Teile der Firma Bitzer zu sehen.

Das Ende 2008 fertiggestellte Ensinger-Werk mit Spritzguss-Produktion in Ergenzingen. Unten links sind zudem Teile der Firma Bitzer zu sehen.

Die Ensinger GmbH

Die Ensinger GmbH verarbeitet technische Kunststoffe zu Halbzeugen, Fertigteilen, Profilen und Compounds (Hochleistungs-Verbundwerkstoffe) für viele Industriezweige, etwa für die Medizintechnik, die Automobilindustrie oder auch Unternehmen des Fenster- und Fassadenbaus. Das Familienunternehmen Ensinger erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2015 mit weltweit 2300 Mitarbeiter einen Umsatz von 391 Millionen Euro. Am Hauptsitz Nufringen arbeiten gut 600 Leute, in Cham gut 500, in Ergenzingen 165, an den Vertriebsstandorten Ravensburg und Anröchte zusammen 18. Insgesamt hat Ensinger in Europa, Amerika und Asien 28 Fertigungsstandorte und Vertriebsniederlassungen.

Firmengründer Wilfried Ensinger übergab die operative Geschäftsführung 1997 an die zweite Generation. Als Vorsitzender des Beirats und als Geschäftsführer der Ensinger Holding ist der

80-Jährige weiterhin Impulsgeber für das Unternehmen. An seinem Wohnort Rottenburg ist er immer wieder großzügiger Spender. Ensinger ist Ehrensenator der Universität Stuttgart, Träger des Bundesverdienstkreuzes und – wie auch seine Frau Martha – des päpstlichen Silvesterordens.

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Erstellt:
30.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 30.06.2016, 01:00 Uhr

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