Potz Blitz, kein Überfall!

Über einen Raubversuch, den es nicht gab

Es geschah nicht, genau vor einem Jahr: Ein 48-jähriger Mann hatte samstagmittags am Geldautomat in der Bühler Dorfmitte mehrere hundert Euro abgehoben. Als er gegen 12.30 Uhr die Räume der Sparkasse verließ und zu seinem davor geparkten Auto ging, bedrängten ihn drei Männer und forderten ihn auf, das abgehobene Bargeld herauszurücken.

04.03.2017

Von Hans-Jörg Schweizer

Die Sparkassen-Filiale in Bühl. Archivbild

Die Sparkassen-Filiale in Bühl. Archivbild

Als der Mann die Banknoten nicht hergeben wollte, schlug ihm einer der Räuber ins Gesicht. Der 48-Jährige konnte jedoch in sein Auto fliehen, schloss sich ein und fuhr davon.

Eine spektakuläre Geschichte für einen sonst eher unspektakulären Tübinger Stadtteil. Eine richtige Räuberpistole sogar, die es auch locker auf die erste Lokalseite im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT vom Montag schaffte. Viele Leute in Bühl machten sich in den folgenden Tagen und Wochen ernsthafte Sorgen um ihre Sicherheit. Manche trauten sich kaum noch zum Geldautomaten. Hielten Ausschau nach den Räubern vom Dorfplatz.

In ihrem Pressebericht vom 6. März 2016 hatte die Polizei ja auch eine präzise Beschreibung weitergereicht: Die Räuber waren nach Auskunft des Überfallenen in einem viertürigen roten Kleinwagen mit Radkappen und einer Kette am Rückspiegel unterwegs. Alle drei Gangster seien zwischen 20 und 30 Jahre alt und etwa 1,80 Meter groß gewesen. Der Wortführer hatte laut Opfer kurze, blonde, leicht lockige Haare und sprach mit Akzent sowie rollendem R. Weitere Details: Normale Statur, schwarze Lederjacke, roter Schal, Jeans, schwarze Turnschuhe mit weißer Sohle. Täter Nummer zwei hatte laut Beschreibung „ein leicht arabisches Aussehen“, trug Vollbart, Bauchansatz, Kapuzenpulli, eine dunkle Freizeitjacke mit vielen Taschen und eine Jeanshose. Er habe gebrochen Deutsch gesprochen. Ebenso wie der dritte Täter, der wie der zweite ausgesehen haben soll, nur nicht so stämmig. All das vermeldete die Polizei, die auf Hinweise zu den Tätern hoffte.

Ermittler drehen aber nicht einfach Däumchen und warten ab, dass sich jemand mit dem entscheidenden Tipp meldet. Die Polizei nahm sich unterdessen auch das Journal des Bühler Geldautomaten vor und befragte Kunden, die kurz vor oder kurz nach dem 48-Jährigen Geld abgehoben hatten. Bei den Recherchen verdichteten sich schließlich die Hinweise, dass der 48-Jährige den Beamten eine Lügengeschichte aufgetischt haben könnte.

Doch er hatte die Rechnung ohne den VfB gemacht: Der Stuttgarter Fußballverein spielte seinerzeit noch in der Ersten Liga und empfing an jenem Samstag die TSG Hoffenheim. Den 5:1-Heimsieg über die Kurpfälzer ließen sich auch einige eingefleischte Bühler VfB-Fans nicht entgehen, die sich um die Mittagszeit zwecks Schlachtenbummeln am Dorfplatz verabredet hatten. Just zur Zeit des vermeintlichen Überfalls: Jede Menge Zeugen also. Bei ihren polizeilichen Vernehmungen schlossen die Fußballfreunde übereinstimmend aus, dass während ihrer Anwesenheit am Dorfplatz irgendjemand überfallen worden sein könnte. So berichtet es Tatjana Grgic von der Tübinger Staatsanwaltschaft.

Mit solch eindeutigen Indizien konfrontiert knickte schließlich auch das angebliche Opfer ein. Der 48-Jährige gestand, die Geschichte vom Überfall samt Flucht nur erfunden zu haben. Warum? Er wollte eine Erklärung dafür liefern, dass er nach dem Geldabheben mit seinem Auto bei Rot über die Ampel gefahren war. Der stationäre Bühler Blitzer hatte die Verkehrssünde dokumentiert, die den Mann maximal 200 Euro Bußgeld gekostet hätte. Im Dezember wurde er wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt.

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Erstellt:
04.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 04.03.2017, 01:00 Uhr

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