Jugend fordert Kirche heraus

Über 150 junge Erwachsene und Kirchenvertreter kamen zum Jugendforum

Beim Jugendforum „Kirche jung gestalten“ im Rottenburger Bischöflichen Ordinariat sprachen rund 150 Teilnehmer bei Bischof Gebhard Fürst und anderen Vertretern der Kirchenleitung am Samstag brisante kirchenpolitische Themen an.

13.06.2016

Von Dunja Bernhard

Klare Forderungen stellten die jungen Erwachsenen nicht nur im Gesprächskreis „Sexuelle Vielfalt und Lebensformen“ Bild: Bernhard

Klare Forderungen stellten die jungen Erwachsenen nicht nur im Gesprächskreis „Sexuelle Vielfalt und Lebensformen“ Bild: Bernhard

Rottenburg. Beim Jugendforum setzte Bischof Gebhard Fürst einen Ratschlag um, den er von Papst Franziskus bekam. Auf die Frage, wie Kirche besser auf Jugendliche zugehen könne, hatte der Papst geraten: Zuerst einmal sollten die Hauptamtlichen mehr Zeit mit den Jugendlichen verbringen, sie wertschätzen und mögen und sie auf ihrem Weg begleiten. „Später könnt ihr dann auch mal etwas Kritisches sagen.“ Bischof Fürst entledigte sich am Vormittag nicht nur seiner Schuhe und krempelte die Hosenbeine hoch, um gemeinsam mit Vertretern der Jugendkirche Tübingen seinen farbigen Fußabdruck auf einer Matte zu hinterlassen, die Teil des abschließenden Jugendgottesdienstes war. Sondern er lud am Abend alle Teilnehmer des Forums zum Grillen im bischöflichen Garten ein. Zwischendurch diskutierte er im Gesprächskreis zum Thema Liturgie.

Im Jugendforum treffen seit 1991 alle fünf Jahre Jugendliche mit der katholischen Kirchenleitung zusammen. In Rottenburg waren es 150 Teilnehmer, die sich unter anderem mit Bischof Gebhard Fürst, Generalvikar Clemens Stroppel und Weihbischof Thomas Maria Renz in Kleingruppen zu Themen wie „Liturgie und Jugendgottesdient“, „Sexuelle Vielfalt und Lebensformen“ und „Was glaubst du?“ austauschten. Zur Vorbereitung des Jugendforums wurden rund 2000 Menschen zwischen 10 und 27 Jahren vor allem im Religionsunterricht und in katholischen Jugendgruppen befragt, was sie an der Kirche ändern möchten und was ihnen im Leben wichtig ist. Zu den am häufigsten genannten Themen wurden acht Workshops und Gesprächsforen angeboten und die Ergebnisse auf Plakaten präsentiert.

Gottesdienste seien zu langweilig, zur falschen Zeit und mit wenig ansprechender Musik, klagten die Jugendlichen. Sie forderten Gottesdienstzeiten, die zur Lebenswirklichkeit von jungen Menschen passen. Zehn Prozent der Spenden für Kirchenmusik sollen für moderne Musik verwendet werden. Außerdem brauche es eine Fachstelle Popmusik. Da die Beziehungsfähigkeit von pastoralem Personal wichtig für Liturgie und Spiritualität sei, solle jeder Priester ein Praktikum in Jugendseelsorge absolvieren, schlagen die Forumsteilnehmer vor. Von der Institution Kirchen wünschen sich die Jugendlichen, dass sie in Gesellschaft und Politik Position bezieht, dass alle Hauptamtlichen – von der Sekretärin bis zum Bischof – Vorbilder sind und dass die Kirche „positive Schlagzeilen produziert“.

Den Umgang der Kirche mit Homosexualität empfinden Ehrenamtliche als diskriminierend, formulierten die jungen Erwachsenen. Generalvikar Clemens Stroppel stellte dieser Aussage die kirchliche Haltung gegenüber, die aus biblischen und kulturellen Einstellungen resultiere. Die Gesprächsteilnehmer forderten eine öffentliche Positionierung der Kirche und die gleichwertige Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensformen. Außerdem prangerten sie an, das Frauen und Mädchen bei kirchlichen Ämtern bis hinunter zu den Ministranten noch immer diskriminiert werden. Sie hätten lange und intensiv über Homosexualität geredet, sagte Mia. Die Offenheit sei da. „Aber Vereinbarungen zu treffen, ist schwierig.“ Es sei aber ein gutes Gefühl gewesen, nicht gleich eins auf den Deckel bekommen zu haben.“ Der Generalvikar habe zugesagt, das Gehörte und auch die Emotionalität, die das Thema bei jungen Menschen auslöse, an den Bischof weiter zu tragen, berichtete Moderatorin Andrea Doll. Das Plakat schließt mit der Frage: „Was werden Sie tun, Herr Bischof?“ „Der Faden ist aufgenommen“, sagte der Generalvikar und signalisierte weiteren Gesprächsbedarf, Dafür bekam er von den Forumsteilnehmern einen kräftigen Applaus.

Vor dem anschließenden Gottesdienst zogen die Forumsteilnehmer auf einem Podium Bilanz. Auf die Frage, was er jetzt stolz dem Papst präsentieren könne, antwortete Bischof Fürst: „Wir haben viele junge Menschen, die fetzig sind.“ Er könne sich darauf einlassen, den Weg mit ihnen zu gehen.“

Die von Weihbischof Renz geforderten fünf Statements lauteten: Die Jugend habe ein großes Potential. Die Begegnungen fand auf Augenhöhe statt. Viele Themen von vorherigen Jugendforen seien immer noch da, aber weiterentwickelt. Das hauptamtliche Personal müsse sich weiter qualifizieren, um näher an die Jugendlichen dran zu kommen. Eine lange Schlange vor der Eisdiele sei sehr kommunikationsfördernd.

Er sei mit vielen Themen angereist, sagte Martin. Über eines habe er geredet. „Wir haben klare Forderungen gestellt.“ Jetzt müsse sich zeigen, was passiert. „Ich habe noch ein bisschen Hoffnung.“ Doch was mache er mit den Themen, die er nicht unterbringen konnte, fragte er. In fünf Jahren ist das nächste Jugendforum.

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Erstellt:
13.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 06sec
zuletzt aktualisiert: 13.06.2016, 01:00 Uhr

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