The Hateful 8
The Hateful 8
In dem derben Western von Quentin Tarantino belauern sich acht dubiose Gestalten in einer eingeschneiten Hütte.
Siehe auch: Der Oscar ist weiß - Hollywood streitet: Wieder kein Schwarzer unter den Nominierten
In trügerischer Reinheit breitet sich das tiefverschneite Wyoming aus. Winzig wie ein Spielzeug erscheint eine schwarze Kutsche am Horizont, als wäre die Gegend zu gewaltig für das menschliche Maß. Die Fußgänger, die unvermittelt aus der Schneewüste auftauchen und sich dem altmodischen Gefährt in den Weg stellen, wirken geradezu irrwitzig deplatziert.
Mit seinem goldgefütterten schwarzen Cape und dem breitrandigen Hut ist Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) wohl der stylishste Kopfgeldjäger aller Zeiten. Durch den Abstand, den seine sägeblattscharfe Hutkrempe schafft, ist er gleich im Vorteil gegenüber seinem pelzmützentragenden Konkurrenten John Ruth (Kurt Russell). Mit diesem hübschen Ausstattungsdetail landet Regisseur Quentin Tarantino den ersten seiner kleinen Status-Scherze. Ruths störrische Gefangene ist die Galgenkandidatin Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh). Ein dickes Veilchen prangt an ihrem rechten Auge. Beim nächsten Sheriff in der Stadt Red Rock soll sie ein besonders dickes Kopfgeld einbringen.
Nach dem eisglitzernden Rache-Epos „The Revenant“ ist der neue Tarantino der zweite Schnee-Western der Saison. Ihm gelingt das Kunststück, die typischen weiten Schauplätze des Genres auf ein Interieur zu verengen, das schließlich nichts weniger als die Vereinigten Staaten in ihrem Bruderzwist im 19. Jahrhundert abbildet. Es ist die archetypische Blockhütte, erster Außenposten im umkämpften Frontier-Gebiet, in Gestalt eines urigen Ladens mit Ausschank auf einer gottverlassenen Hochebene (wie sie nur im Western vorkommt), wo sich die Kutschenpassagiere vor einem aufziehenden Schneesturm in Sicherheit bringen wollen.
Sie haben zwischenzeitlich noch einen dritten Mann an Bord, den Südstaaten-Spross Chris Mannix (Walter Goggins), bei dem man sich fragt, ob sich hinter seinem manischen Grinsen nur ein Clown oder schon ein gefährlicher Irrer verbirgt. Er bringt eine herrliche Absurdität in die geschäftsmäßigen No-Nonsense-Posen der Kopfgeldjäger und in den ganzen Film.
Weil es im Leben nichts umsonst gibt, sind die besten Plätze am ersehnten Zufluchtsort schon besetzt: Vor dem Kamin sitzt ein uralter Konföderierten-General (Bruce Dern) beim Schach mit dem wuseligen Engländer Oswaldo Mowbray, den Tim Roth mit dem verlogenen Charme eines grinsenden Eichhörnchens ausstattet.
Weil man im 21. Jahrhundert nicht mehr einfach Cowboys losschicken und die Colts rauchen lassen kann, lässt Tarantino seine acht Schurken einander mit Worten bis zur Weißglut reizen. Dabei handeln sie bruchstückhaft die Geschichte Amerikas ab, wie sie sich aus Rassismus und Gewalt zusammengesetzt hat. Doch es sind so viele Knarren im Spiel, dass die blutige Abrechnung nur eine Frage der Zeit ist. Es verdichtet sich das Bild eines Landes, das sich gegen eine feindliche Außenwelt verbarrikadiert hat – um die im Übermaß vorhandene Aggression gegen sich selbst zu richten.
Das extreme Breitwandformat (Kamera: Robert Richardson), das den Zuschauer anzusaugen scheint, schafft im Blockhaus eine klaustrophobische Atmosphäre. Der Soundtrack von Spaghetti-Western-Legende Ennio Morricone gibt eine grandiose Mixtur aus Nostalgie, Leichtigkeit und Unheil dazu.
Bizarrer Trash-Western um ein Amerika im Abschottungsmodus.