The Hateful 8

The Hateful 8

In dem derben Western von Quentin Tarantino belauern sich acht dubiose Gestalten in einer eingeschneiten Hütte.

27.01.2016

Von Verleih

The Hateful 8

Siehe auch: Der Oscar ist weiß - Hollywood streitet: Wieder kein Schwarzer unter den Nominierten

In trügerischer Reinheit breitet sich das tiefverschneite Wyoming aus. Winzig wie ein Spielzeug erscheint eine schwarze Kutsche am Horizont, als wäre die Gegend zu gewaltig für das menschliche Maß. Die Fußgänger, die unvermittelt aus der Schneewüste auftauchen und sich dem altmodischen Gefährt in den Weg stellen, wirken geradezu irrwitzig deplatziert.

Mit seinem goldgefütterten schwarzen Cape und dem breitrandigen Hut ist Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) wohl der stylishste Kopfgeldjäger aller Zeiten. Durch den Abstand, den seine sägeblattscharfe Hutkrempe schafft, ist er gleich im Vorteil gegenüber seinem pelzmützentragenden Konkurrenten John Ruth (Kurt Russell). Mit diesem hübschen Ausstattungsdetail landet Regisseur Quentin Tarantino den ersten seiner kleinen Status-Scherze. Ruths störrische Gefangene ist die Galgenkandidatin Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh). Ein dickes Veilchen prangt an ihrem rechten Auge. Beim nächsten Sheriff in der Stadt Red Rock soll sie ein besonders dickes Kopfgeld einbringen.

Nach dem eisglitzernden Rache-Epos „The Revenant“ ist der neue Tarantino der zweite Schnee-Western der Saison. Ihm gelingt das Kunststück, die typischen weiten Schauplätze des Genres auf ein Interieur zu verengen, das schließlich nichts weniger als die Vereinigten Staaten in ihrem Bruderzwist im 19. Jahrhundert abbildet. Es ist die archetypische Blockhütte, erster Außenposten im umkämpften Frontier-Gebiet, in Gestalt eines urigen Ladens mit Ausschank auf einer gottverlassenen Hochebene (wie sie nur im Western vorkommt), wo sich die Kutschenpassagiere vor einem aufziehenden Schneesturm in Sicherheit bringen wollen.

Sie haben zwischenzeitlich noch einen dritten Mann an Bord, den Südstaaten-Spross Chris Mannix (Walter Goggins), bei dem man sich fragt, ob sich hinter seinem manischen Grinsen nur ein Clown oder schon ein gefährlicher Irrer verbirgt. Er bringt eine herrliche Absurdität in die geschäftsmäßigen No-Nonsense-Posen der Kopfgeldjäger und in den ganzen Film.

Weil es im Leben nichts umsonst gibt, sind die besten Plätze am ersehnten Zufluchtsort schon besetzt: Vor dem Kamin sitzt ein uralter Konföderierten-General (Bruce Dern) beim Schach mit dem wuseligen Engländer Oswaldo Mowbray, den Tim Roth mit dem verlogenen Charme eines grinsenden Eichhörnchens ausstattet.

Weil man im 21. Jahrhundert nicht mehr einfach Cowboys losschicken und die Colts rauchen lassen kann, lässt Tarantino seine acht Schurken einander mit Worten bis zur Weißglut reizen. Dabei handeln sie bruchstückhaft die Geschichte Amerikas ab, wie sie sich aus Rassismus und Gewalt zusammengesetzt hat. Doch es sind so viele Knarren im Spiel, dass die blutige Abrechnung nur eine Frage der Zeit ist. Es verdichtet sich das Bild eines Landes, das sich gegen eine feindliche Außenwelt verbarrikadiert hat – um die im Übermaß vorhandene Aggression gegen sich selbst zu richten.

Das extreme Breitwandformat (Kamera: Robert Richardson), das den Zuschauer anzusaugen scheint, schafft im Blockhaus eine klaustrophobische Atmosphäre. Der Soundtrack von Spaghetti-Western-Legende Ennio Morricone gibt eine grandiose Mixtur aus Nostalgie, Leichtigkeit und Unheil dazu.

 

Bizarrer Trash-Western um ein Amerika im Abschottungsmodus.

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Erstellt:
27.01.2016, 15:55 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 27.01.2016, 15:55 Uhr

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Klaus-Peter Eichele 24.02.201621:40 Uhr

Verglichen mit dem Vorgänger „Django Unchained“ darf man „The Hateful 8“ durchaus als Flop werten. In den USA machte er nur ein Drittel des Umsatzes (53 ggü. 162 Mio. $). Die Zuschauerzahl in Deutschland liegt derzeit bei einer guten Million ggü. 4,5 Millionen bei „Django“.

Klex 24.02.201617:54 Uhr

Der Film ist halt schlecht -- nicht nur brutal, sondern auch langweilig, unter anderem weil die Frauen im Gegensatz zu früheren Tatrantinofilmen (bis Inglorious Bastards -- Lucy Liu und Darryl Hanah waren auch als Opfer imposant) nur noch Kugel- oder Strickfutter sind. Dennoch bin ich natürlich nicht dafür, ihn aus moralischen Gründen zu verbieten. Zensur ist scheiße und außerdem gibt es genügend Ballerfilme mit total affirmativer Gewalt, die in den Hirnen der Zuschauer noch mehr Schaden anrichten (wenn man die alle verbieten wollte, gingen alle Kinos pleite.) Ich hätte Tarantino nur einen Misserfolg gewünscht, damit er zur Besinnung kommt und nicht noch zehn dumme Breitwandwestern dreht, und da hab ich einen Monat nach dem Start schon klar verloren.

Klex 01.02.201611:15 Uhr

3 Stunden Zynismus und Sadismus, hervorragend gespielt in Breitwandformat. Was an fadenscheinigem Antirassismus zu erkennen ist, wird durch dick und blutig aufgetragenen Frauenhass mehr als ausgeglichen. Gut, dass Tarantino nach zehn Filmen aufhören will, mir reicht es jetzt schon. Und das finde ich nach Pulp Fiction oder Kill Bill eigentlich schade. Natürlich gibt es noch schlechtere und dümmere Filme: Die Hostel-Reihe, die Saw-Reihe und oder Django (2012). Diesmal bleibt (ACHTUNG SPOILER) von dem Film wenigstens nur ein Leichenhaufen übrig, und das ist tatsächlich das beste denkbare Ende.

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