Der Oscar ist weiß

Hollywood streitet: Wieder kein Schwarzer unter den Nominierten

Ärger um die Oscars: Erneut sind unter den 20 nominierten Schauspielerinnen und Schauspielern keine Schwarzen. Ist die Oscar-Akademie rassistisch? Ganz gewiss ist sie ein Spiegel der Filmindustrie.

22.01.2016

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Zwei Schwarze als beste Hauptdarsteller, das gab s nur einmal, nämlich 2002: Halle Berry und Denzel Washington.

Zwei Schwarze als beste Hauptdarsteller, das gab s nur einmal, nämlich 2002: Halle Berry und Denzel Washington.

Es sei leichter, als Schwarzer Präsident der USA zu werden als Studiochef in Hollywood. So ätzte der Filmemacher Spike Lee vor einem Jahr - just in seiner Dankesrede, als Hollywood ihm einen Ehren-Oscar andiente. Die Preisvergabe an den scharfzüngingen Lee sah wie eine Beschwichtigungstat der Filmindustrie aus, denn unter den 20 für den Oscar nominierten Schauspielerinnen und Schauspielern war damals kein einziger Schwarzer, obwohl etwa David Oyelowo als Martin Luther King in „Selma“ allemal preiswürdig gewesen war. Unter dem Twitter-Hashtag #OscarsSoWhite begann ein heftiger Protest.

Und dieses Jahr? Erneut sind alle 20 nominierten Akteure weiß! Spike Lee wird der Oscar-Verleihung am 28. Februar aus Protest fernbleiben. „Untröstlich und frustriert“, zeigt sich nun die Präsidentin der Oscar-Akademie, Cheryl Boone Isaacs. Die Afroamerikanerin sagte, die Akademie unternehme dramatische Schritte, um vielfältiger zu werden. Aber das wird dauern. Denn die Oscar-Akademie hat mehr als 6000 Mitglieder: 94 Prozent sind laut „L.A. Times“ weiß, 77 Prozent Männer, der Altersdurchschnitt beträgt 63 Jahre.

Wer das Gremium für rassistisch hält, findet derzeit gute Argumente. Warum wurde der famose Michael B. Jordan nicht als Hauptdarsteller fürs Boxer-Drama „Creed“ nominiert - aber Sylvester Stallone als Nebendarsteller? Wo ist der für das Kriegsdrama „Beasts of No Nation“ gefeierte Idris Elba? Weshalb ist die Hiphopper-Biografie „Straight Outta Compton“ gegen jede Erwartung nicht als „Bester Film“ im Rennen? Nominiert wurden nur die Drehbuch-Autoren - zwei Weiße. Und solche Fragen stellen sich auch für vergangene Oscar-Jahrgänge.

334 Schauspiel-Oscars wurden seit 1929 vergeben, gerade mal 14 schwarze Sieger gab es in all den Jahren. Die erste schwarze Preisträgerin, Hattie McDaniel (sie spielte die Haushälterin Mammy in „Vom Winde verweht“), hatte in ihrer Dankesrede unter Tränen versprochen, „ihrer Rasse Ehre“ bereiten zu wollen. 1940 war das. Nur fünf Mal wurden seitdem schwarze Hauptdarsteller gekürt: Sidney Poitier, Halle Berry, Denzel Washington, Jamie Foxx, Forest Whitaker.

Die Oscar-Akademie ist aber nur ein Spiegel Hollywoods. Man könne keine Auszeichnungen bekommen „für Rollen, die es gar nicht gibt“, sagte kürzlich Viola Davis, als sie einen Emmy gewann. Tatsächlich: Die Preis-Vergabe ist das eine, die Rollen-Vergabe das andere.

Auch wenn es schwarze Stars wie Denzel Washington oder Will Smith gibt, so fällt das Casting großer Hollywood-Produktionen immer wieder unangenehm durch „White Washing“ auf: Nach wie vor werden Weiße in Rollen anderer Ethnien besetzt. Als umgekehrt der Schwarze Michael B. Jordan in „Die Fantastischen Vier“ den in der Comic-Vorlage weißen Johnny Storm verkörperte, war der Fan-Aufschrei groß. Wann es wohl den ersten schwarzen James Bond gibt?

Dabei wissen Hollywood-Studios eigentlich durchaus, dass Vielfalt allein schon aus kommerziellen Gründen sinnvoll ist - das weltweite Publikum ist ja auch äußerst vielfältig. Warum wohl sind die neuen Helden im Mega-Hit „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ eine junge Frau und ein junger Schwarzer?

Als Ridley Scott seinen Bibelfilm „Exodus“ 2014 allerdings ausschließlich mit Weißen besetzte, erklärte er danach die harte Wahrheit: Wenn er Moses mit einem Schwarzen und dessen Frau mit einer Äthiopierin besetzt hätte, wäre der Film nicht finanziert worden.

Für das im Februar startende Spektakel „Gods of Egypt“ entschuldigten sich Regisseur Alex Proxas und das Studio Lionsgate vorsichtshalber schon im Vorfeld: Das Casting hätte ethnisch vielfältiger sein müssen. Tatsächlich spielen nur Weiße die mythologischen Gestalten Altägyptens. Aber wie man aus dem Trailer schließen kann, wird „Gods of Egypt“ bei den nächsten Oscars sowieso keine Rolle spielen.

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Erstellt:
22.01.2016, 08:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 22.01.2016, 08:30 Uhr

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