Psychisch sehr außer sich

Schwurgericht: Rettungskräfte fanden wegen Totschlags Angeklagten hilflos auf

Im Prozess gegen den 71-jährigen Textilkaufmann, der seine 69-jährige Ehefrau im Streit getötet haben soll, sagten am Freitag Rettungskräfte aus. Sie schilderten den Einsatz in dem Haus in Kirchentellinsfurt in der Nacht auf den 10. März 2016.

23.09.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Symbolbild: Sommer

Symbolbild: Sommer

Tübingen/Kirchentellinsfurt. Der Angeklagte muss sich wegen Totschlags vor dem Schwurgericht Tübingen verantworten. Seine Steuerungsfähigkeit soll zur Tatzeit aufgrund einer schweren Depression erheblich vermindert gewesen sein. In der Nacht auf den 9. März 2016 sei der Beschuldigte in den frühen Morgenstunden erwacht und mit seiner Frau in Streit geraten, weil sie für den Folgetag einen Arzttermin für ihn vereinbart hatte, hieß es in der Anklageschrift. Er befürchtete, in eine Psychiatrische Klinik gebracht zu werden (wir berichteten).

Der Sohn des fast 50 Jahre lang verheirateten Paars hatte seine leblose Mutter am Abend des 9. März gefunden und kurz nach 23 Uhr die Kriminalpolizei alarmiert. „Das Tatgeschehen begann vermutlich schon im Schlafzimmer im Dachgeschoss“, sagte ein Kriminaltechniker als Zeuge. Die getötete 69-Jährige sei aber in der Küche in der ersten Etage gefunden worden, in einem sauberen Nachthemd. Ein weiteres Nachthemd und ihr Bademantel, jeweils mit Blutspuren an der Außenseite, wurden sichergestellt.

Das Blut soll ausschließlich vom Angeklagten stammen. Der Kriminaltechniker vermutete, dass der Mann schon in einem frühen Stadium des Tatgeschehens selbstverletzende oder suizidale Handlungen vorgenommen hatte.

Ein 22-jähriger Rettungsassistent war mit einem Kollegen als erster in dem Haus in Kirchentellinsfurt eingetroffen. Er fand die 69-Jährige leblos auf. „Eine Reanimation war aussichtslos. Sie war seit längerem tot.“ Dann seien schon die Polizei und die Notärztin eingetroffen.

Der Sohn habe die Rettungskräfte darauf aufmerksam gemacht, dass sein Vater auch noch im Haus sein müsse. Sie fanden den Angeklagten in einer Duschkabine sitzend, komplett bekleidet, nass und blutüberströmt, berichtete der Rettungsassistent. „Wir haben ihn zu dritt herausgehoben, ihn abgetrocknet und umgezogen.“ Frische Kleidung hatte der Sohn gebracht.

Der Angeklagte soll gesagt haben, er brauche unbedingt Hilfe, er könne alleine nicht aufstehen. „Er war psychisch sehr außer sich“, so der Helfer. Zum mutmaßlichen Tathergang habe sich der Mann nicht geäußert. Doch die Notärztin habe die Situation sehr schnell erfasst. Sie soll gesagt haben: „Fasst hier nichts an außer den Patienten“, zitierte der Rettungsassistent.

Der Angeklagte sei unterkühlt gewesen. Weil sein Blutdruck etwas niedrig war, bekam er eine Infusion, bevor er in die Medizinische Klinik nach Tübingen gebracht wurde. Seine Wunden seien schon älter gewesen. „Er hat nicht mehr geblutet. Die Haut war schon wieder verhärtet“, sagte der Rettungsassistent. Auch das Blut auf seinen Kleidern sei nicht frisch gewesen.

Zu einer ehrenamtlichen Rettungshelferin soll der Angeklagte in jener Nacht gesagt haben, „dass er sich das Leben nehmen wollte“. Das sei offensichtlich gewesen, sagte die Zeugin. „Es lagen Rasierklingen da. Und es klang an, dass wohl etwas passiert sei.“

Ein weiterer Rettungsassistent, der geholfen hatte, den Beschuldigten aus der Duschkabine zu heben, sagte, der Mann sei auf jeden Fall ansprechbar gewesen. Allerdings hatte der Zeuge den Angeklagten als „ein bisschen verwirrt“ in Erinnerung.

Die beiden erwachsenen Kinder des Paares nehmen ihr Zeugnisverweigerungsrecht als nahe Angehörige in Anspruch. Sie haben Nebenklage eingereicht. Der Prozess wird am Donnerstag, 29. September, fortgesetzt. Dann werden sich voraussichtlich die Gerichtsmedizinerin Dr. Iris Schimmel und der psychiatrische Gutachter Dr. Stephan Bork äußern.

Info Vorsitzender Richter: Christoph Sandberger; Beisitzer: Thomas Geiger, Johannes Munding. Schöffen: Gaby Bruder, Manfred Knöll. Staatsanwältin: Bettina Winckler. Nebenklage: Andrea Sautter. Verteidiger: Steffen Kazmaier, Thomas Kommer. Gutachter: Dr. Stephan Bork, Dr. Iris Schimmel.

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Erstellt:
23.09.2016, 18:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 23.09.2016, 18:00 Uhr

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