Mit gestreckter Faust zurück

Schöffengericht verhängt Haftstrafen nach Randale beim Nonnenhaus-Markt

Wegen gefährlicher Körperverletzung und weiterer Delikte verurteilte das Schöffengericht Tübingen zwei Männer zu Haftstrafen ohne Bewährung. Nach einem missglückten Jägermeisterklau hatten sie den Marktleiter im Nonnenhaus und Polizisten angegriffen.

23.09.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Symbolbild: liveostockimages - Fotolia

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Tübingen. Ein Jahr und drei Monate Haft muss ein 25-Jähriger absitzen, weil er am 29. November 2013 nach einem Jägermeisterklau (im Wert von 12,99 Euro) im Nonnenhaus den Marktleiter sowie herbeigerufene Polizeibeamte massiv angegangen war. Deshalb wurde er wegen räuberischen Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung und weiterer Delikte vom Schöffengericht Tübingen verurteilt.

„Es gibt keine Umstände, die eine Bewährungsstrafe rechtfertigen würden“, sagte Richterin Sabine Altemeier. Das Verhalten des Angeklagten bei den Vorfällen im Nonnenhaus rechnete das Gericht in eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten um. Das Video der dortigen Überwachungskamera zeige, dass der Angeklagte, nachdem er das Getümmel bereits unter Mitnahme der Jägermeisterflasche verlassen hatte, noch einmal zurückgekehrt war, und zwar „mit gestreckter Faust“, so die Richterin. „Dieses Nachsetzen“ sowie „die ungebremste Aggression“ des Mannes nach seiner Rückkehr fiel für das Gericht besonders ungünstig ins Gewicht.

Andererseits habe „das äußerst streitbare Verhalten“ des Marktleiters nicht dazu beigetragen, die angespannte Situation, in die sich die Exfreundin des Angeklagten und der Mitbeschuldigte eingeschaltet hatten, zu befrieden. So zu handeln, sei das gute Recht des Marktleiters gewesen, betonte Altemeier. „Aber es war nicht deeskalierend.“ Erst die Polizei habe das Ganze auflösen können. Vom Angeklagten seien die Beamten aber nicht als Helfer aufgefasst, sondern übelst beschimpft und beleidigt worden. Beide Angeklagte wehrten sich heftig gegen eine Festnahme.

Zudem ist der 25-Jährige nach Überzeugung des Gerichts im vergangenen Jahr ein paar Mal zulasten der Deutschen Bahn schwarzgefahren (26,60 Euro Schaden). Am 14. Juli 2015 hatte er im Alten Botanischen Garten erneut Polizisten beleidigt. Schwerer wog, dass er im Spätherbst 2015 im Epplehaus mit fünf verkaufsfertig abgepackten Amphetamin-Plomben erwischt wurde. Dass er die nur für den Eigenbedarf dabei gehabt haben will, nahm ihm das Gericht nicht ab, milderte den Vorwurf des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln aber ab auf unerlaubten Besitz.

Doch am 18. Dezember 2015 fiel der Angeklagte im Club 27 mit weiteren acht Plomben Amphetamin auf. Für diese Delikte muss der Mann ein weiteres Jahr ins Gefängnis. In das Strafmaß flossen jeweils Urteile unter anderem von Amtsgerichten in Stuttgart oder Reutlingen ein. Beide Männer sind mehrfach einschlägig vorbestraft.

Der mitangeklagte 31-Jährige sitzt derzeit bereits im Gefängnis. Wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde er zu einer Reststrafe von einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt. Auch bei ihm bezog das Gericht weitere Straftaten in das Strafmaß ein. „Der Angeklagte hat die Taten aufgrund seiner Abhängigkeit von Betäubungsmitteln begangen“, sagte die Richterin.

„Er muss in Therapie. Das sieht er selbst so, und das sieht die Justizvollzugsanstalt so. Und alle Beteiligten arbeiten daran“, sagte Verteidiger Holger Böltz. „Er ist in einer Therapie-Vorbereitungsgruppe und nimmt regelmäßig die Termine zur Suchtberatung wahr“, sagte Böltz. Die Arbeitsergebnisse des Mannes in der Haft seien zufriedenstellend beurteilt worden. Bei seiner Biografie sei das ein ermutigendes Zeichen von Motivation. Der Angeklagte verdiene eine Chance, „aus der Alkohol- und Drogenabhängigkeit herauszukommen“, so der Verteidiger. In seinem letzten Wort sagte der Mann, er hoffe, nach der Therapie etwas Positives leisten zu können.

Die Staatsanwältin hatte für beide etwas längere Haftzeiten beantragt. Der erste Angeklagte habe den Marktleiter „mit geballter Körperkraft weggedrängt“, sagte sie: „Nur, um sich im Besitz dieser Jägermeisterflasche zu halten. Die hat er nie losgelassen.“ Dann sei alles in eine Schlägerei ausgeartet. Die Verteidigerin des Mannes sagte unter anderem: „Eine desolate Kindheit ist keine Entschuldigung, aber sie erklärt manches.“

Info Richterin am Amtsgericht: Sabine Altemeier; Schöffen: Sabine Ayen, Helmut Zeller. Staatsanwältin: Rotraut Hölscher. Verteidiger: Holger Böltz, Sabine Höfner.

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Erstellt:
23.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 52sec
zuletzt aktualisiert: 23.09.2016, 01:00 Uhr

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