VfB sucht Chefcoach und Präsidenten – Spieleretat schrumpft um die Hälfte

Schock zeigt Wirkung

Präsident Wahler ist zurückgetreten, Trainer Kramny seinen Job los. Der Bundesliga-Abstieg wirbelt den VfB Stuttgart kräftig durcheinander.

17.05.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Die Stuttgarter auf dem Weg in die zweite Liga (von links): Martin Harnik, Christian Gentner und Daniel Schwaab. Foto: Imago

Die Stuttgarter auf dem Weg in die zweite Liga (von links): Martin Harnik, Christian Gentner und Daniel Schwaab. Foto: Imago

Stuttgart. 2007 als deutscher Meister noch ganz oben, neun Jahre danach ganz unten in der zweiten Liga. Präsident Bernd Wahler, erst seit 2013 im Amt, hat die Konsequenzen gezogen und ist einen Tag nach dem 1:3 (0:2) in Wolfsburg zurückgetreten. Cheftrainer Jürgen Kramny ist wie erwartet seinen Posten los. Für den VfB kommt es ganz dicke.

 Für die Vorbereitung auf Spiele gegen Vereine wie Erzgebirge Aue oder 1860 München und Lokalrivalen wie den FC Heidenheim und den Karlsruher SC bleibt bei all den Umwälzungen vergleichsweise wenig Zeit. Die neue Saison beginnt bereits am 5. August, drei Wochen vor der Bundesliga und während der Olympischen Spiele in Rio.

Allenfalls mit einem hohen Sieg in Wolfsburg hätte der VfB überhaupt noch Hoffnung auf die Relegation gehabt. Ein letztes Aufbäumen? Großes Kämpferherz? Nichts davon war zu sehen.  Die Mannschaft fügte sich lethargisch ins offenbar unvermeidliche Schicksal. Viele der 3000 mitgereisten Fans reagierten, nur eine Woche nach dem Platzsturm in Stuttgart beim 1:3 gegen Mainz, mit einem Mix aus stillem Schock und hörbarem Frust. Nur kurze Sprechchöre wie „Vorstand raus!“ oder „Alle, alle, alle könnt Ihr gehen!“ durchbrachen die gespenstische Tote-Hose-Stimmung. Tränen für den Traditionsklub wurden wenige vergossen. Nach zuvor fünf Niederlagen waren alle schon aufs Schlimmste gefasst. Nun ist der Abstieg Fakt und vor allem die Frage, wie der VfB damit umgeht.

Der krasse Niedergang dokumentiert sich in den Platzierungen: Zwölfter 2013, Fünfzehnter 2014, Vierzehnter 2015 und jetzt als Siebzehnter direkt abgestiegen – zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte nach 1975. Während sich vor dem Mercedes-Museum eine Warteschlange zieht, herrscht gegenüber rund ums VfB-Vereinsheim neben dem riesengroßen künftigen Zweitliga-Stadion (Fassungsvermögen: 60?500 Zuschauer) fast Friedhofsruhe. Keine Transparente, keine verzweifelten Fans. Nur hinter verschlossener Tür rauchten die Köpfe. Neuigkeiten drangen nur Tröpfchenweise nach draußen. Zuerst, dass eine neuer Trainer gesucht wird. Und gleich sind neue Namen neben dem bekannten Alois Schwartz vom SV Sandhausen im Umlauf: Markus Gisdol, der Ex-Hoffenheimer aus Geislingen, oder der bei Schalke 04 entlassene Andre Breitenreiter. Jürgen Kramny, der einen Vertrag bis 2017 besitzt, soll jedenfalls wohl auch nicht zurück auf seinen Posten als Trainer der in die vierte Liga abgestiegenen zweiten Mannschaft zurückkehren. Der Vertrag mit Holger Bachthaler, bisher beim bayerischen FV Illertissen, gilt als fix. Bleiben will trotz der fußballerischen Bankrotterklärung ausgerechnet der Sportvorstand: Robin Dutt. In drängt es, jetzt sofort wieder anzupacken: „Bei aller Trauer über den Abstieg kann ich keine Zeit verlieren“. Es gehe nun darum, einen neuen Trainer zu verpflichten, Spieler zu verkaufen und neues Personal zu finden. „Unser Ziel ist der Wiederaufstieg.“, sagt der 51-Jährige, weiß aber auch: „Ein Selbstläufer wird das nicht.“

Zumal erneut auch der Präsidentenstuhl zu besetzen ist. Bernd Wahler, 57, hat nach nur rund zweieinhalb Jahren am Sonntag das Handtuch geworfen: „In der Geschichte unseres Vereins war der Tag in Wolfsburg ein schwarzer Tag. Wir haben hart gearbeitet, vieles verändert und gekämpft – es hat nicht gereicht. Es ist noch immer unfassbar, wir sind abgestiegen. Dafür übernehme ich die Verantwortung.“

Stark eindampfen muss der VfB jetzt den Spieleretat: In der Bundesliga belief sich das Budget für die Profis auf rund 40 Millionen Euro. Nun werden nur noch 20 bis 25 Millionen möglich sein. Was die TV-Gelder angeht, flossen bisher rund 30 Millionen Euro in die VfB-Kasse. Durch den Abstieg werden es etwa 20 Millionen weniger sein. Bei den Zuschauern müssen die Stuttgarter die bisherige Kalkulation von 50 000 pro Heimspiel auf 30 000 herunterschrauben.

Der Stuttgarter Niedergang schmerzt finanziell, die Stadt bietet deshalb Unterstützung an.  Rund zehn Millionen Euro bezahlt der VfB pro Jahr für Stadionbewirtschaftung und Refinanzierung des 60-Millionen-Umbaus zur reinen Fußballarena, davon 5,2 Millionen an die Stadt. „Ein Jahr in der zweiten Liga verkraftet der VfB unter diesen Gesichtspunkten sicher“, hat Susanne Eisenmann, damals noch Sportbürgermeisterin, gesagt, als es 2015 eng wurde. „Aber natürlich geht das nicht auf Dauer.“ Nun ist eine Stundung der Raten denkbar.

Ein Jahr zweite Liga? Gelingt der Wiederaufstieg nicht sofort, wird es noch ungemütlicher. Das zeigen Beispiele wie jenes des KSC oder das der jetzt in die vierten Liga abgestürzten Stuttgarter Kickers.

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Erstellt:
17.05.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 17.05.2016, 06:00 Uhr

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