Ausbildung

Papierlos, aber motiviert

Beim „JobSpeedMatching“ lernten sich am Freitag Geflüchtete und regionale Unternehmen kennen. Das Ziel sind Lehrstellen und Jobs.

13.03.2017

Von Philipp Koebnik

Schlange stehen für kurze Gespräche mit regionalen Unternehmen: Mehr als 120 Migranten kamen am Freitag zum „JobSpeedMatching“. Bild: Faden

Schlange stehen für kurze Gespräche mit regionalen Unternehmen: Mehr als 120 Migranten kamen am Freitag zum „JobSpeedMatching“. Bild: Faden

Backen, malern, oder doch lieber was mit Menschen? Den richtigen Beruf zu finden, ist nicht ganz einfach. Vielen hilft es, erstmal ein Praktikum zu machen. Doch als erstes gilt es zu lernen, wie man Bewerbung und Lebenslauf schreibt. Dazu braucht es freilich Deutschkenntnisse – für manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer des JobSpeedMatchings war das bislang noch die größte Hürde. Mehr als 120 Geflüchtete und Zuwanderer sind am Freitag in der Gemeinschaftsschule West mit örtlichen Unternehmern ins Gespräch gekommen.

Es laufe „überraschend gut“, sagte Anja Gottschalk von der Firma Zeltwanger nach den ersten Gesprächen mit den Arbeitssuchenden. „Sie sprechen gut Deutsch, sind sehr höflich, gut vorbereitet und motiviert.“ Bei mindestens einem jungen Mann könne sie sich vorstellen, ihn 2018 in Ausbildung zu nehmen. Auch die Bäckerei Keim, die Abfallentsorgungsdienste Cerona, die BG Unfallklinik oder die Firma Erbe Elektromedizin suchten am Freitag nach Kandidaten für Praktika und Jobs – oder zumindest für ein ausführliches Gespräch oder einen Einstellungstest. Das Bildungs- und Migrationszentrum Infö und das städtisch geförderte Projekt „Tübinger Türen“ der VHS Tübingen hatten Teilnehmer an Integrationskursen zu dem JobSpeedMatching eingeladen. Den Kontakt zu den Unternehmen hatte die VHS hergestellt.

Ausbildung ohne Zertifikat

In ihrer Heimat Gambia habe sie als „Zimmermädchen“ in Hotels gearbeitet, erzählt Mariana Keita. „Das würde ich gerne wieder machen“, sagt die 29-Jährige auf Englisch. Aus dem westafrikanischen Land kommt auch Modou Marong. Bevor er vor knapp drei Jahren nach Deutschland kam, war er dort in der Landwirtschaft tätig. Zeitweise habe er auch als Maler gearbeitet, weshalb der 23-Jährige sich für einen Ausbildungsplatz bei der Firma Allramseder interessiert.

Ein Problem: Nicht wenige haben Berufserfahrung, können diese aber nicht nachweisen. In vielen Ländern, so auch in Syrien, bestehe eine Ausbildung schlichtweg darin, längere Zeit in einem Betrieb zu arbeiten, sagte Infö-Geschäftsführerin Margarete Lanig-Herold: „Hinterher gibt’s kein Papier – und trotzdem können die ganz viel.“ Das JobSpeedMatching dient Unternehmern auch dazu, Potenziale zu erkennen. Im besten Fall bekommen Bewerber die Chance, in der Praxis zu zeigen, was sie können.

Das gilt wohl nicht zuletzt für jene, die bereits studiert haben, aber keine Zeugnisse mehr besitzen oder diese erst anerkennen lassen müssen. Einen Master in Informatik hat die 34-jährige Amany Oweja. In ihrem Heimatland Syrien habe sie zehn Jahre in einem Computer-Institut gearbeitet, sagt sie. Ihr Ehemann, damals Mitarbeiter einer Bank, hatte vor zwei Jahren die Flucht nach Deutschland ergriffen und sie später nachgeholt.

Obwohl er erst anderthalb Jahre in der Bundesrepublik lebt, spricht der 19-jährige Syrer Majd Eddin Halak schon gut Deutsch. Bevor er mit seinem Bruder aus Aleppo floh, habe er den Realschulabschluss gemacht. „Aber die Papiere sind nicht mit mir hier, leider“, sagt er. Was die Berufswahl angeht, sei er offen.

„Ich mag gerne mit Menschen arbeiten“, sagt Maya Tayfour, die auch aus Syrien kommt. Gerne würde sie einen sozialen Beruf erlernen, so die 21-Jährige. Ähnlich geht es dem ebenfalls 21-jährigen Shindar Sadik, der seit einem Jahr in Deutschland lebt. Er könne sich vorstellen, als Krankenpfleger zu arbeiten, sagt der kurdische Syrer und lächelt hoffnungsfroh.

Erste Kontakte mit der Chance auf mehr

Es war bereits die zweite Veranstaltung dieser Art. Im vergangenen Jahr waren rund hundert Interessierte zum JobSpeedMatching gekommen. Sieben haben dadurch einen Job und sieben einen Praktikumsplatz bekommen, berichtete Infö-Geschäftsführerin Margarete Lanig-Herold.

Diesmal waren es über 120 Geflüchtete und Zuwanderer. Sie kamen mit Vertretern von rund 20 Firmen und Einrichtungen ins Gespräch, darunter Zeltwanger Maschinenbau, die Stadtwerke Tübingen, IT-Design, das Uniklinikum und der Malermeister Allramseder.

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Erstellt:
13.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 13.03.2017, 01:00 Uhr

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