Inklusion
Noch Hürden beim Einstieg in den Arbeitsmarkt
Der Arbeitskreis Teilhabe im Landkreis setzt sich seit zehn Jahren für Menschen mit Behinderungen ein.
Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist das Ziel des Arbeitskreises Teilhabe im Landkreis Tübingen. Seit zwei Jahren gibt es zudem einen Teilhabeplan für psychisch Kranke. Diese Ansätze gehen zurück auf die Verwaltungsreform 2005, als die Eingliederungshilfe von den Landeswohlfahrtsverbänden auf die Landkreise übertragen wurde.
Es sei immer zu prüfen, ob jemand tatsächlich in eine stationäre Einrichtung muss, oder ob es nicht ambulante Möglichkeiten gibt, sagte Landrat Joachim Walter am Dienstagnachmittag im Tübinger Landratsamt. Ihn habe die Begegnung mit einer etwa 60-jährigen Frau aus einer Wohngruppe im Französischen Viertel bestärkt, „dass diese Politik richtig ist“. Die Frau hatte beglückt berichtet, sie sei nun zum dritten oder vierten Mal allein in der Stadt gewesen. „Das war ihr zuvor nicht möglich.“
Der Kreis Tübingen hat den höchsten Anteil beim ambulant betreuten Wohnen im Land, berichtete Kreis-Sozialdezernentin Ulrike Dimmler-Trumpp. Es sind knapp 50 Prozent, gegenüber 38,7 Prozent im Landesdurchschnitt. Entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten gebe es auch in der häuslichen Umgebung, oder wenn jemand alleine wohnt. „Teilhabepläne sind Handlungsempfehlungen“, betonte sie.
Doch der Arbeitskreis hat auch die Bewohner stationärer Einrichtungen im Blick. Als Heimbeiräte sollen sie ihre Interessen selbst vertreten können, sagte die Kreissozialplanerin Ute Schwarzkopf-Binder. Bei einem Seminar an der Volkshochschule Tübingen wurden Heimbeiräte geschult und konnten sich austauschen.
Der Arbeitskreis, dem auch Menschen mit Behinderung sowie Heimbeiräte und Werkstatträte angehören, sucht nach barrierefreien Lösungen für die Bereichen Wohnen, Arbeit, Mobilität, Freizeit, Gesundheit oder öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV). Im direkten Gespräch mit Busunternehmern wurde das barrierefreie Busfahren vorbereitet.
„Es geht nicht nur um die Eingliederungshilfe des Landkreises“, sagte der Kreisbehindertenbeauftragte Willi Rudolf. „Es geht um den Verkehr und um das Bauen.“ Barrierefreiheit sei Voraussetzung, damit ein Busunternehmen im Kreis den Zuschlag für eine bestimmte Linie bekommt.
Früher gab es einen Arbeitskreis Behindertenhilfe, in dem Menschen mit Behinderungen gar nicht vertreten waren, blickte der Tübinger Gemeinderat Gotthilf Lorch zurück, der selbst Rollstuhlfahrer ist. „Nur Institutionen waren beteiligt. Die Betroffenen waren wieder ausgeschlossen.“ Doch der Arbeitskreis Teilhabe erkenne an, „wie wichtig es ist, dass die Menschen in die Gesellschaft hineinkommen“.
In der Stadt Tübingen sei der ÖPNV schon barrierefrei, so Lorch. Auch im ländlichen Raum im Landkreis Tübingen gebe es riesige Fortschritte. Noch nicht optimal laufe es hingegen beim persönlichen Budget, über das sich Menschen mit Behinderungen selbst die Assistenzleistungen kaufen können, die sie benötigen. Da solle der Kreis mehr Geld bereitstellen, forderte er.
Begleitung im Berufsleben und politische Bildung
Beim Übergang in den ersten Arbeitsmarkt fehlten für Menschen mit Behinderung noch Begleiter, sagte Landrat Joachim Walter am Dienstag. Gotthilf Lorch vom Arbeitskreis Teilhabe will mehr Assistenz in Arbeit und Freizeit. Es sollte Institutionen geben, die Menschen mit Behinderung und Arbeitgeber in Krisen auffangen, so Lorch: „Damit das Arbeitsverhältnis nicht bei der der ersten Krise abgebrochen wird.“ Elvira Martin von der Fachstelle Inklusion forderte mehr politische Teilhabe: in Sonderschulen gebe es bisher wenig politische Bildung.