Amtsgericht

Mit dem eigenen Betrieb überfordert

Ein Jettenburger Ex-Kleinunternehmer kommt mit Bewährung davon.

09.08.2017

Von Dorothee Hermann

Symbolbild: Sommer

Symbolbild: Sommer

Es ging um Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 27 Fällen und um Betrug: Das Amtsgericht Tübingen verurteilte den Ex-Inhaber eines Jettenburger Gartenbaubetriebs am Montagnachmittag zu einer 14-monatigen Freiheitsstrafe, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Als Auflage muss der Angeklagte 400 Euro an den Mariaberg e. V. zahlen, den diakonischen Träger der Einrichtung für Jugend- und Eingliederungshilfe sowie Berufliche Bildung in Mariaberg.

Er soll die Summe in monatlichen Raten von jeweils 20 Euro abstottern. Der 59-Jährige, der nicht mehr im Landkreis Tübingen wohnt, verdient derzeit im Kleinbetrieb seiner Lebensgefährtin etwa 120 Euro monatlich – sofern er aufgrund einer Schulterverletzung arbeiten kann, wie er sagte. Er bekommt aufstockend Hartz IV, und auch seine Miete bezahlt das Jobcenter. Seine Schulden beziffert der Mann mit 35 000 bis 40 000 Euro.

Als Inhaber des Gartenbaubetriebs, den er von seiner Einzimmerwohnung aus führte, hat der Angeklagte von 2010 bis zur Betriebsstilllegung 2014 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von knapp 15 400 Euro nicht abgeführt. Davon wären zirka 7900 Euro auf den Arbeitnehmeranteil entfallen. Den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung habe der Angeklagte akzeptiert, sagte Richterin Weber.

Der Mann wurde zudem wegen Betrugs verurteilt. Für einen Reutlinger Kunden hätte er Erd- und Maurerarbeiten in einem Kostenrahmen von 6000 Euro vornehmen sollen. Eine auf seine Initiative hin erfolgte Anzahlung des Kunden von zirka 3200 Euro soll er zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten verwendet haben. Im November 2014 musste der Angeklagte aufgrund seiner desolaten finanziellen Lage eine eidesstattliche Versicherung abgeben.

Staatsanwältin Julia Pfaffenrot hatte eine 18-monatige Freiheitsstrafe gefordert. Der Verteidiger sagte, der Angeklagte sei mit dem Betrieb als selbstständiger Kleinunternehmer überfordert gewesen. „Er ist vom Jobcenter da hineingeschubst worden.“ Nun habe der Mann seine Lektion gelernt und werde sich sicherlich nicht mehr als Arbeitgeber betätigen. Es sei ihm bewusst, dass angesichts der Schadenshöhe eine Freiheitsstrafe anstehe. Doch er bat das Gericht „um Milde“. Der Angeklagte verzichtete darauf, sich in einem Letzten Wort noch einmal zu äußern.

„Er hat die Taten teilweise eingeräumt“, führte Richterin Weber zugunsten des Angeklagten an. Andererseits habe der Mann Arbeitsstunden „zum Teil doppelt und dreifach aufgeschrieben“. Sie nahm dem 59-Jährigen auch nicht ab, dass einige seiner früheren Mitarbeiter selbstständige Subunternehmer gewesen sein sollen. „Sie haben das Werkzeug und die Fahrzeuge des Angeklagten benutzt“, so die Richterin. Probearbeit oder Praktikumsstellen gebe es arbeitsrechtlich nicht – oder nur unter bestimmten Voraussetzungen, die im Betrieb des Angeklagten nicht vorlagen. „Auch Tagelöhner sind anzumelden“, betonte Weber. Zudem hätte der Mann sich jederzeit erkundigen können, ob er seine Mitarbeiter anmelden müsse oder nicht.

Einen weiteren Tatvorwurf verfolgte das Gericht nicht weiter: Ob der Angeklagte in der Zeit von März 2010 bis Januar 2014 trotz Einkünften aus seinem Betrieb jeweils einige Monate unberechtigt Arbeitslosengeld II in Höhe von rund 18 000 Euro bezogen hat, ließ sich nicht mehr im Einzelnen nachverfolgen. Der Mann soll zeitweise krankgeschrieben gewesen sein.

Auf ihren Lohnforderungen sitzen bleiben dürften nun einige der früheren Mitarbeiter des Angeklagten. Ein 35-jähriger Schreiner aus Tübingen hat im Auftrag des Mannes im Sommer 2013 in Gärten Steine verlegt, sechs bis acht Stunden am Tag, etwa ein bis zwei Wochen lang. Als er mit zwei Kollegen, die der Angeklagte ebenfalls nicht bezahlt haben soll, Werkzeuge des Mannes als Pfand bis zur Lohnzahlung einbehalten wollte, endete das für jeden von ihnen mit einer Strafzahlung von knapp 1000 Euro: Der Angeklagte hatte die Polizei eingeschaltet – und damit die Behörden erst auf seine Geschäftspraktiken aufmerksam gemacht.

Vier weitere Ex-Mitarbeiter waren am Montag als Zeugen geladen, aber nicht vor Gericht aufgetaucht: Ihnen droht nun ein Ordnungsgeld von jeweils 100 Euro oder ersatzweise drei Tage Ordnungshaft.

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Erstellt:
09.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 55sec
zuletzt aktualisiert: 09.08.2017, 01:00 Uhr

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