Gastronomie · Nach Ostern was Neues

Maritim soll es bald am Neckarufer zugehen

Das neue Pächterpaar des einstigen Tübinger Offizierscasinos bereitet sich auf die Wiedereröffnung von Speiselokal und Biergarten vor.

04.03.2017

Von Hans-Jörg Schweizer

Sie bereiten sich auf die Neueröffnung im April vor: Gwen Schubert und Tim Diesterheft sind die neuen Pächter im ehemaligen Franzosen-Casino, das in Zukunft „Bootshaus am Neckar“ heißen wird. Bild: Metz

Sie bereiten sich auf die Neueröffnung im April vor: Gwen Schubert und Tim Diesterheft sind die neuen Pächter im ehemaligen Franzosen-Casino, das in Zukunft „Bootshaus am Neckar“ heißen wird. Bild: Metz

Wann macht eigentlich das Casino wieder auf? Je näher die Biergartensaison rückt, desto mehr Leute stellen sich diese Frage. Ende 2016 haben Birgit und Hans-Peter Horn nach einem Jahrzehnt an der Steinlachmündung ihr Restaurant geschlossen. Aus gesundheitlichen Gründen. Seit einigen Tagen herrscht aber wieder Betriebsamkeit in der Wöhrdstraße. Denn gleich nach Ostern wollen die neuen Pächter Gwen Schubert und Tim Diesterheft ihr „Bootshaus am Neckar“ eröffnen.

Eigentlich hätte es ein nahtloser Übergang vom alten zum neuen Pächter werden sollen. So wollte es im Sommer 2016 GWG-Chef Gerhard Breuninger. Die städtische Tochtergesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau verpachtet das pittoresk am Neckarspitz gelegene Gebäude mit Restaurant, Biergarten und großem Saal. Die ehemalige Speiseanstalt der Offiziere war Anfang der 1990er Jahre beim Abzug der Franzosen in städtischen Besitz gekommen.

Ganz reibungslos lief der Pächterwechsel nun aber nicht. Ursprünglich wollte die GWG früher entscheiden, aber im Dezember wurde in Tübingen erstmal noch die Idee von Stadtrat Ulf Siebert diskutiert, das Casino zu einem Kultursaal umzubauen. „Das war aber nur etwas Störfeuer“, sagt Breuninger. Dessen Urteil zum Konzertsaalplan lautete schließlich: nicht wirtschaftlich.

Bewerber mit tragfähigen Konzepten gab es derweil durchaus. Unter den neun Kandidaten waren laut Breuninger allein drei solvente Brauereien mit Ambitionen, den Gastraum auf Kosten des Saals zu vergrößern. Außerdem hatte sich ein Investor beworben, der aus dem einstigen Offizierscasino ein Konferenzzentrum machen wollte. „Alles durchaus interessant“, so Breuninger. Doch nicht zuletzt angesichts der politischen Brisanz, die die Immobilie durch die Kultursaal-Debatte bekommen hatte, habe man sich im GWG-Aufsichtsrat sehr genau Gedanken zur Zukunft des Casinos gemacht: Konzertsaal oder Konferenzzentrum? Brauhaus mit Systemgastronomie? Das Gremium, in dem 17 Stadträte sitzen, war klar dafür, die Möglichkeit zur „bürgerschaftlichen Nutzung“ für Familienfeiern oder Betriebsveranstaltungen zu erhalten.

Damit waren auf einen Schlag alle Bewerber mit umfangreichen Umbauplänen für auf viel Umsatz ausgerichtete Großgastronomie aus dem Rennen. Das Konzept von Diesterheft blieb als Favorit. „Seine Referenzen und sein Werdegang haben uns beeindruckt. Vor allem aber sein Einsatz für die Sache“, sagt Breuninger, der am Ende zusammen mit dem GWG-Aufsichtsratsvorsitzenden und Tübinger OB Boris Palmer über die Vergabe zu entscheiden hatte.

Sylt – Andernach – Tübingen

Schubert und Diesterheft lernten sich vor fünf Jahren bei der Arbeit kennen: Sie war als selbstständige Eventmanagerin fürs Frankfurter Hotel Intercontinental tätig, wo er 2012 als Catering-Manager arbeitete. Zusammen organisierten Diesterheft und Schubert das Mercedes-Catering bei der Tourenwagen-Rennserie DTM und kamen sich auch privat näher: 2013 kam Tochter Emilia zur Welt.

Da hatte Diesterheft aber bereits einen neuen Job. Auf Sylt. Und der ließ ihm nur wenig Zeit für seine Tochter: „Bis 2015 bin ich nur zweimal von der Insel runtergekommen: zur Taufe und zum Geburtstag.“ Das war dem Vater auf Dauer zu wenig, weshalb er die attraktive Stelle im renommierten Hotel Arosa aufgab und mit Gwen Schubert nach Andernach zog. Dort baute er im Auftrag eines Investors zwei Hotels und mehrere Restaurants auf. Mit der früheren Sterne-Köchin Sarah Henke erdachte er das Konzept für den Gourmet-Tempel „Yoso“, der es bei einem Fachmagazin unter die Top-Ten-Neueröffnungen 2015 schaffte. Eigentlich war das Restaurant eine Notlösung, um angeheuerte Küchenchefs zu beschäftigen, als es bei den anderen Restaurants Bauverzögerungen gab.

Diesterheft will aber beweisen, dass er auch ein eigenes Projekt wirtschaftlich erfolgreich gestalten kann. Als ihm seine Eltern im Sommer 2016 einen TAGBLATT-Artikel schickten, in dem stand, Casino-Pächter Horn höre auf, erkannte Diesterheft seine Chance und klopfte noch vor der offiziellen Ausschreibung bei der GWG an. Im September bewarben sich Diesterheft und Schubert mit ihrem Konzept, das Ende Dezember den Zuschlag erhielt.

In Zukunft heißt das ehemalige Franzosen-Casino also „Bootshaus am Neckar“. Internationale Küche soll dort serviert werden: „Bootshäuser gibt es am Bodensee genauso wie in Schweden, an der Côte d’Azur oder in der Karibik“, erklärt Diesterheft seinen kulinarischen Masterplan. Passend dazu sollen die Räume wenn schon nicht umgebaut, dann aber doch „maritim überarbeitet“ werden. Diesterheft will am Neckarspitz kein Sterne-Restaurant aufziehen. Er hat das mittlere Preissegment im Blick, auch zwei günstige Mittagsmenüs soll es geben. Die Öffnungszeiten ändern sich nur leicht: „Sonntag und Montag ist Ruhetag, damit die Mitarbeiter zwei feste Tage Freizeit haben.“ Der Biergarten soll sonntags aber tagsüber geöffnet sein.

In der Küche wollen Schubert und Diesterheft viele regionale Produkte verarbeiten, die zudem nachhaltig produziert sein sollen. „Aus Überzeugung“, betonen beide. Bei Fisch sei das natürlich schwieriger. Es werde auch viel Vegetarisches geben, so Schubert. Aber auch „Rindersteak muss nicht aus Argentinien kommen“, sagt sie, „und für Milch soll der Bauer einen fairen Preis bezahlt kriegen. Ich könnte sonst nicht arbeiten“, sagt sie. „Wir wollen nicht allein die Welt retten“, rudert Diesterheft ein Stück zurück. „Aber wir fangen mal damit an“, sagt Schubert.

Im großen Saal wollen die neuen Pächter Feste feiern, Konzerte veranstalten oder Vernissagen organisieren. Der Saal kann aber weiterhin auch für private Feiern und Veranstaltungen gebucht werden. Den bisherigen 300-Plätze-Biergarten am Neckar wollen die Wirtsleute „intimer“ gestalten. Dort sollen in der Freiluftsaison regionale Klassiker wie Kässpätzle oder Wurstsalat serviert werden. „Aber mit einem raffinierten Touch“, verspricht Diesterheft.

20 Festangestellte, dazu vor allem während der Biergartenzeit diverse Aushilfen, sollen den Restaurantbetrieb auf dem 1700 Quadratmeter-Areal stemmen. Schubert augenzwinkernd: „Wir scheuen uns nicht, dieses ‚logistisch katastrophale‘ Objekt zu übernehmen.“ So hatte Stadtrat und Gastronom Siebert das Casino beschrieben. Diesterheft: „Wir freuen uns wirklich auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den anderen Tübinger Gastronomen. Nur so können wir Tübingen Vielfalt bieten.“

Am Freitag nun wurde schließlich auch der Pachtvertrag bei der GWG unterschrieben. Ein halbes Jahr nachdem Diesterheft in Andernach kündigte. Doch seither scheint das Casino zu Diesterhefts Bestimmung geworden zu sein: Schon bei der Arbeitsagentur in Mayen war im Herbst die Sachbearbeiterin bei der Lektüre seiner Vita hellhörig geworden: Aus der Tübinger Gegend? Da werde doch das Casino am Neckar frei. Die Frau war eine Bekannte der bisherigen Wirtin Birgit Horn, die aus dem Rheinland stammt. Und dann wollte auch noch ein früherer Kollege aus Baiersbronn, der inzwischen mit Horn-Tochter Theresa beim Gastronomieverband Dehoga arbeitet, Diesterheft an den Neckar locken. An Fügung glauben die neuen Pächter zwar nicht, „aber das sind schon Zeichen, die einem während der langen Wartezeit Mut machen“, sagt Gwen Schubert.

Die neuen Pächter am Neckarspitz

Tim Diesterheft (31) ist in Rottenburg-Oberndorf aufgewachsen, machte in Tübingen Wirtschafts-Abi und anschließend eine Ausbildung zum Restaurantfachmann im Baiersbronner Hotel Bareiss. 2008 bis 2011 studierte er Hotel- und Gastronomie-Management an der Dualen Hochschule in Ravensburg mit Praxis am Steigenberger Frankfurter Hof. Später arbeitete er als Catering-Manager am Interconti in Frankfurt und als Food-and-Beverage-Manager im Hotel Arosa auf Sylt. Dort erarbeitete er mit Köchin Sarah Henke einen Michelin-Stern fürs Restaurant „Spices“. Zuletzt managte Diesterheft Hotels und Restaurants in Andernach.

Gwen Schubert (28) stammt aus Dresden und kam mit 16 nach Darmstadt, wo sie ihr Abitur machte. Sie studierte in Marburg Jura und jobbte nebenbei in einer Service-Agentur für Veranstaltungen, bis sie ihr Studium an den Nagel hängte und sich ganz der Event-Gastronomie widmete.

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Erstellt:
04.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 42sec
zuletzt aktualisiert: 04.03.2017, 01:00 Uhr

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