Von „Dr. Seltsam“ bis „House Of Cards“

Mal Schurke, mal Held: Hollywood und seine US-Präsidenten

Ist Politiker nicht eine Rolle? Das amerikanische Staatsoberhaupt haben in Hollywood schon viele Stars verkörpert: Als Charismatiker, Helden, Trottel.

14.11.2016

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Filmszene mit Morgan Freeman als US-Präsident in „Deep Impact“ Foto: Uip Film/dpa

Filmszene mit Morgan Freeman als US-Präsident in „Deep Impact“ Foto: Uip Film/dpa

Washington. Als Donald Trump am Mittwochmorgen triumphal auf die Bühne schreitet und die Faust ballt, erklingen martialische Trommelschläge und strahlende Blechfanfaren. Der frisch gewählte US-Präsident hat für seinen Auftritt Musik aus dem Film „Air Force One“ gewählt. Wenn das nicht schon mal die Marschrichtung vorgibt.

In Wolfgang Petersens Kino-Hit von 1997 wird der Jumbo Jet des amerikanischen Staatsoberhaupts von einem Terroristen entführt – der Schurke hat die Rechnung aber ohne Harrison Ford gemacht. Der Superstar spielt in dem Reißer den fiktiven Präsidenten James Marshall, der dem Finsterling mit Fausthieben und Knarre zeigt, wer das Sagen hat: „Raus aus meinem Flugzeug!“

Yeah, Harrison Ford ist nicht nur Han Solo und Indiana Jones, er war auf der Leinwand auch der erste Mann im US-Staat. Charismatisch, gravitätisch, profiliert – so mag Hollywood seine Präsidentendarsteller. Denn wie das Weiße Haus als Standard-Schauplatz zu Action-Streifen und Thrillern gehört, ist auch der Chef oft eine zentrale Filmfigur. Kinostars mit staatsmännischer Aura müssen da ran: wie Henry Fonda, der in „Angriffsziel Moskau“ (1964) einen Atomkrieg verhindern musste. Gene Hackman und Gregory Peck saßen ebenso im Oval Office.

Der Präsident als patriotische Projektionsfläche: So wird er im Kino zum Helden, zum Supermann. Etwa Bill Pullman, der als Präsident Whitmore in „Independence Day“ (1996) ehemaliger Jagdbomberpilot ist und höchstselbst gegen die attackierenden Aliens in den Flieger steigt.

Kämpfer und Feiglinge

Der Status des Präsidenten macht ihn für Filmemacher freilich auch auf andere Art reizvoll: Sie können die oft überhöhte Figur auf den Boden der Tatsachen fallen lassen. Das birgt satirisches Potential. Da steht Peter Sellers in Stanley Kubricks Meisterwerk „Dr. Seltsam“ (1964) arg zögerlich und manipulierbar im War Room herum, Donald Pleasence ist in „Die Klapperschlange“ (1981) sogar ein Feigling. Ganz zu schweigen von präsidialen Knallchargen wie Jack Nicholson im Katastrophen-Spaß „Mars Attacks“ (1996).

Manchmal lehrt uns das Kino, dass auch der Präsident ein Mensch ist. Schon ist der mächtigste Mann der Welt nur ein Kerl, der geliebt werden will. Wie Michael Douglas, der sich 1995 in „Hallo, Mr. President“ als verwitwetes Staatsoberhaupt in eine Umweltlobbyistin verliebt. Und Kevin Kline wird in „Dave“ (1993) zum Zentrum einer klassischen Doppelgängerkomödie.

Kino reflektiert Geschichte – oder nimmt sie vorweg. Bevor mit Barack Obama 2009 der erste schwarze Präsident ins Weiße Haus einziehen konnte, wurde der Schritt im Kino vollzogen. James Earl Jones (die Stimme von Darth Vader) ging 1972 im Polit-Drama „The Man“ voran. Der imposante Morgan Freeman war schon zweimal Präsident, auch Jamie Foxx und Samuel L. Jackson hatten das Leinwand-Amt inne. Letzterer im finnischen Actionfilm „Big Game“, in dem die Air Force One über der skandinavischen Wildnis abgeschossen wird und der Präsident die Hilfe eines 13-Jährigen braucht.

Hillary Clinton hat es jetzt ja nicht geschafft – und auch auf der Leinwand regierten bislang kaum Frauen. Die Komödie „Prinzgemahl im Weißen Haus“ (1964) mit Polly Bergen ist längst vergessen, darin wird vor allem über den First Husband gewitzelt. Im Science-Fiction-Trashstück „Iron Sky“ (2012) darf sich Stephanie Paul als Präsidentin immerhin mit Nazis vom Mond herumschlagen.

Die TV-Serie „Commander in Chief“ (2005) präsentierte 19 Folgen lang Geena Davis als Präsidentin. Kein Vergleich zu Dauerbrennern wie Martin Sheen in sieben Staffeln „West Wing“ oder Kevin Spacey als machtgeiler Francis Underwood seit 2013 in „House of Cards“. Solche Serien zeigen aber beeindruckend, dass die Ränkespiele hinter den Kulissen tollen Dramenstoff bieten.

Der Begriff der politischen Bühne kommt nicht von Ungefähr. Sind diese Ämter nicht öffentliche Rollen? Handelt es sich selbst bei Barack Obamas großartiger Rhetorik nicht vor allem um eine performative Fähigkeit? Sind Schauspieler daher zuweilen Kandidaten für reale Ämter?

Action-Star Arnold Schwarzenegger hat es als gebürtiger Österreicher zwar nur zum Gouverneur von Kalifornien geschafft und nicht zum US-Präsidenten, im Kino aber eben doch: als gezeichnete Witzfigur im Simpsons-Film.

Aber natürlich war da Ronald Reagan. Der hatte in den 40ern und 50ern eine nicht glamouröse, doch auskömmliche Hollywood- Karriere, wandte sich dann der Politik zu, was ihn 1981 tatsächlich ins Präsidentenamt führte. Ans polternde Auftreten des halbgebildeten Republikaners und das angstvolle Aufstöhnen im Rest der Welt mag man sich zurückerinnern, wenn der Ich-Darsteller Trump in Washington einzieht. Als Reagan einst ins Weiße Haus zog, wollte er übrigens alsbald den War Room sehen. Den kannte er aus „Dr. Seltsam“. Er musste erfahren, dass es die Kommandozentrale nur im Film gab.

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Erstellt:
14.11.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 14.11.2016, 06:00 Uhr

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