Speerwurf: Das Phänomen Verena Tobis

Kein Fördersystem: Trotzdem wirft Tobis bei der Deutschen Meisterschaft den Speer fast 50 Meter

Verena Tobis ist ein Phänomen. Die 23-Jährige Speerwerferin des TSV Gomaringen bewegt sich seit jeher außerhalb des Fördersystems des württembergischen und deutschen Leichtathletikverbandes, doch das ist für sie kein Nachteil. Im Gegenteil: Seit Jahren entwickelt sie sich stetig weiter und das unter schwierigsten Bedingungen.

12.07.2017

Von Saskia Drechsel

„Ich habe gezeigt, dass man mich nicht umsonst zu den Meisterschaften gelassen hat“: Verena Tobis. Bild: Drechsel

„Ich habe gezeigt, dass man mich nicht umsonst zu den Meisterschaften gelassen hat“: Verena Tobis. Bild: Drechsel

Der Höhepunkt der bisherigen Speerwurf-Karriere von Verena Tobis war definitiv der vergangene Samstag. Im Erfurter Steigerwaldstadion erlebte die Dußlingerin ihre ersten Deutschen Meisterschaften bei den Aktiven. Eigentlich hatte sich Tobis schon auf das Saisonende eingestellt. Ihr großes Ziel, in diesem Jahr deutlich über 48 Meter zu werfen, hatte sie auch bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften in Mannheim nicht erreicht. Mit dieser Weite hatte sich Tobis nämlich Chancen ausgerechnet, unter den besten deutschen Werferinnen zu sein und sich für die nationalen Titelkämpfe zu qualifizieren. Doch in Mannheim verpasste sie mit 47,51 Metern knapp den ersten Platz und stellte sich darauf ein, den Saisonhöhepunkt verpasst zu haben. Auch auf der offiziellen Starterliste der Deutschen Meisterschaften war sie zunächst nicht zu finden. Dafür aber eine andere Speerwerferin, die zwar verletzt war, aber weitengleich mit Tobis trotzdem die Starterlaubnis bekommen hatte.

Plötzlich auf der Starterliste

In Gomaringen tat man alles, um der Athletin den Start zu ermöglichen – und siehe da: Am Dienstag vor den Meisterschaften tauchte Verena Tobis endlich auf der Starterliste auf. Schnell musste noch ein Hotel gebucht werden. „Ich habe gar nicht mehr damit gerechnet und hatte die Saison eigentlich schon abgehakt“, sagt Tobis. So griff sie am Samstag stattdessen zum Speer.

In den ersten beiden Durchgängen begann die Gomaringerin zurückhaltend und warf zwei Mal knapp über die 45 Meter. Auf Platz neun des Teilnehmerfeldes liegend kam sie im dritten Versuch unter Zugzwang. Um ins Finale zu kommen und drei weitere Würfe absolvieren zu dürfen, war eine Steigerung nötig. Entschlossen greift die 23-Jährige zum Speer. Endlich passt der Anlauf. Dann trifft Tobis ihr Wettkampfgerät perfekt und schleudert den Speer so weit wie nie. Denkbar knapp vor der 50-Meter-Marke bleibt er stecken. Gemessen werden 49,86 Meter – eine deutliche Steigerung der Bestleistung. Tobis katapultierte sich nach vorne auf Platz 5 und war von diesem Rang nicht mehr zu verdrängen. Die Konkurrenz hatte nämlich Probleme mit dem Wind, der mal von der Seite, mal von vorne blies. Tobis: „Ich neige dazu, zu flach zu werfen, deswegen hatte ich sicherlich weniger Schwierigkeiten.“

Auch die Kulisse des Steigerwaldstadions sorgte für zusätzliche Energie: „Die Atmosphäre war eine super Motivation.“ Im letzten Versuch bewies die Dußlingerin erneut, dass der weite Wurf keine Eintagsfliege war. 49,14 Meter wurden gemessen. „Ich habe gezeigt, dass man mich nicht umsonst zu den Meisterschaften gelassen hat“, sagte Tobis stolz.

Karriere war fast schon beendet

Vor vier Jahren war die Speerwurfkarriere der Sportlerin eigentlich schon vorbei. Rückenprobleme machten ihr zu schaffen, viele Jahre lag der Speer im Schrank. Bis zu einem prägenden Auslandssemester 2015 in Tennessee. „Die Unimannschaft hat Unterstützung gebraucht – und plötzlich ging es wieder.“ Meter um Meter hat sich die 23-Jährige seitdem an die erweiterte deutsche Spitze herangearbeitet. Und nun der fünfte Platz bei den nationalen Meisterschaften, ohne je im Fördersystem gewesen zu sein, wie beinahe alle ihrer Konkurrentinnen am Samstag. Ohnehin gelingt es den wenigsten Speerwerferinnen überhaupt, sich jenseits der 20 Jahren auf diesem Niveau noch zu steigern. „Ich weiß, dass ich es nicht mehr zu den Olympischen Spielen schaffen kann“, sagte Tobis, „da bin ich realistisch. Aber solange ich mich immer weiter entwickle, macht es Spaß. Ich pirsche mich eben langsam nach vorne.“

Sprinttrainer als Coach

Bemerkenswert bei Verena Tobis: Die 23-Jährige vom TSV Gomaringen hat nicht einmal einen Speerwurfexperten als Trainer an ihrer Seite. Alexander Seeger ist Sprinttrainer und hat dem Gomaringer Nachwuchs zu großen Erfolgen verholfen. „Er tut, was er kann“, sagt Verena Tobis, „ich habe sowieso eine sehr eigenwillige Technik.“

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Erstellt:
12.07.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 52sec
zuletzt aktualisiert: 12.07.2017, 01:00 Uhr

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