Über die Schniefnasen-Hochsaison

Hallo!!! Ist da wer?

Die E-Mail war mehr als deutlich: „Ich fühle mich dahingestreckt wie von der Faust eines Boxers!“ Der vereinbarte Termin müsse platzen, bis auf weiteres. Man solle sich dann eben nochmals abstimmen. Jetzt regiere das Virus.

22.02.2017

Von Winfried Gaus

Das stimmt. Mit wem man auch spricht, wen man anzurufen versucht, wo man läuft oder steht, sitzt oder fährt – es wird geschnieft und gehustet, dass es keine wahre Freude ist. Rotgeränderte Augen starren einen an, durch Fieberbläschen entstellte Teints künden vom höchst fragilen Zustand des Gegenübers.

Wenn man überhaupt noch einem begegnet, der unfallfrei reden kann, ohne von Bronchial-Attacken übermannt zu werden, dann hört man was von schweren, von sehr schweren Beinen. Von einer bleiernen Müdigkeit, die offenbar viele überfällt: „Ich schlafe zwanzig Stunden am Tag!“ heißt es dann, und besser würde es trotzdem nicht.

Es dauert vor allem. Sieben Tage Schnupfen – das war mal. Sieht man von der Intensität der Zinken-Produktion einmal ab, die sich derzeit im allerobersten Drehzahlbereich abspielt, dann beeindruckt vor allem die Kondition der dieswinterlichen Viren. Wenn du denkst, du hast es überstanden, dann legen sie nochmals eine Schippe nach. Da kann ruhig eine verräterische Pause dazwischen liegen. Kaum ist man wieder in der Lage, mehr als dreihundert Meter zu gehen, ohne zu klingen wie das Dampfzügle auf der Zollernbahn, wird man dieser Freude jäh wieder beraubt. Rückfall! Er legt sich wie Schleifpapier über die Bronchien, die gerade erst den Eindruck erweckt hatten, freigehüstelt worden zu sein. Zweite Welle, wie beim schnellen Angriff im Handball.

Und es gibt kein Entrinnen. Neulich, sonntagsvormittags in der Vorstellung eines Nachwuchstheaters. Gerappelt voller Zuschauerraum, knapp 100 Leute, von denen gefühlt 110 vor sich hin schnäuzten, rotzelten, röchelten, rasselten. Eine Feindtröpfcheninvasion der besonderen Art. Wer da anschließend gesund blieb, dem war beim besten Willen
nicht mehr zu helfen, der ist
kein Mensch.

Da hilft nur Ruhe, viel Ruhe, ganz viel Ruhe. Und trinken soll man viel. Also ruhig viel trinken. Und beim Apotheker seines Vertrauens einkehren – hier ein Saft, dort ein Lutschbonbon, man entschleimt sich und hofft buchstäblich auf eine Lösung der Probleme. Ätschagäbele! Stattdessen macht jetzt auch noch das Zahnfleisch schlechte Miene zum bösen Spiel: von links nach rechts wandert ein Schmerzle. Nicht arg, aber immerhin so, dass es einem den Tag verleiden kann.

Und in den Büros rufen die letzten aufrechten Gesunden: Hallo!!! Ist da wer?

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Erstellt:
22.02.2017, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 08sec
zuletzt aktualisiert: 22.02.2017, 20:00 Uhr

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