„Es ist wunderbar“

Gestern morgen um sechs Uhr begann die Tübinger Freibadsaison

Wenn die Tübinger etwas aus ganzem Herzen lieben, dann ist es ihr Freibad. Fast 50 Frühschwimmer warteten gestern schon um sechs Uhr in der Frühe, dass es endlich aufmachte. Und lieferten sich das gewohnte Rennen zum Becken.

06.05.2016

Von ulrich janssen

Ab sofort wird in Tübingen wieder täglich dem Gott des freien Wassers gehuldigt. Bild: Erich Sommer

Ab sofort wird in Tübingen wieder täglich dem Gott des freien Wassers gehuldigt. Bild: Erich Sommer

Tübingen. David Letzgus-Maurer leitet das Tübinger Freibad seit vier Jahren. Er liebt seinen Beruf, und er liebt vor allem „sein“ Bad über alles. „Das Freibad“, sagt der 43-Jährige, der privat in Starzach wohnt, „ist meine zweite Heimat.“ Seit Mitte März bereitet er mit seinen Leuten die Saison vor, in der Nacht auf Donnerstag hat er vor lauter Aufregung kaum geschlafen: „Es ist ja ein bisschen so wie Bescherung.

Schon um fünf Uhr morgens war der Freibadchef vor Ort, um noch einmal alles zu prüfen. Laufen die Pumpen? Ist Wechselgeld in der Kasse? Sind die Hinterlassenschaften der Enten beseitigt? Ist das Wasser sauber? Stimmt der ph-Wert? „Sauberkeit und Hygiene sind das Wichtigste“, sagt er, „und dass alles schön aussieht.“ Etwa 20 Leute arbeiten im Tübinger Freibad, täglich sind etwa ein Dutzend Mitarbeiter im Einsatz.

24 Grad warm soll das Wasser sein. Das versprechen jedenfalls die Stadtwerke, die das Bad betreiben. Aber das haben sie gestern nicht geschafft. „Die Nächte davor waren zu kalt“, erklärt Letzgus-Maurer. „Und die Oberfläche des Wassers ist schon sehr groß.“ Mehr als 21 Grad seien nicht drin gewesen. Am Wochenende aber, davon ist der Stadtwerke-Mann überzeugt, sind die 24 Grad erreicht.

Die Schwimmer, die gestern früh kamen, zeigten sich von der niedrigen Temperatur nicht sehr beeindruckt. Schon eine halbe Stunde vorher waren die ersten da, und als Letzgus-Maurer pünktlich um sechs Uhr das Rolltor öffnete, warteten knapp 50 bestens gelaunte Schwimmer draußen. Wer ist der erste im Becken? Das ist die Frage, die jedes Jahr geklärt werden muss. „Es sind immer die gleichen“, meint der Freibad-Leiter, „die um die Wette zum Becken laufen.“ Eine Minute nach sechs seien diesmal die ersten im Wasser gewesen.

Alles so wie immer. Oder

jedenfalls fast.

So früh musste es für Hildegard Karrer nicht sein. Die Tübingerin zählt zu den Stammgästen, die die Tage zählen bis das Bad öffnet. Gestern war sie glücklich, dass die schlimme Zeit endlich vorbei ist, und zögerte nicht, das große Mantra aller wahren Freibadschwimmer auszusprechen: „Es ist wunderbar.“ Wobei sie auch zugab, dass es trotz der herrlichen Sonne im Wasser „sehr kalt“ gewesen sei. „Höchstens 19 Grad“, vermutete sie. Außerdem hätten zwei Duschen nicht richtig funktioniert. „Aber das muss auch so sein“, findet sie, „genau deshalb lieben wir unser Freibad ja so, weil alles so ist wie immer.“

Das aber stimmte nicht. Ein paar kleine Veränderungen haben die Stadtwerke sich nämlich in diesem Jahr schon erlaubt. So gibt es neue Umkleiden auf der Liegefläche mit Natursteinen, die oben und unten rum sehr auf luftig machen, aber viel hygienischer sein sollen als die alten. Außerdem vier abschließbare, solargetriebene Handyladystationen (die gestern im Nu alle belegt waren). Und dann ist da noch etwas, was Badegast Martin Bleif auffiel, der mit seiner Tochter gekommen war: An den Kassen könne man jetzt mit Karte bezahlen. „Das ist wirklich revolutionär!“, lobte er die Stadtwerke.

Tatsächlich ist die Revolution nicht ganz so neu wie Bleif dachte. Sie wurde schon im vergangenen Jahr eingeführt, allerdings eher unauffällig. „In diesem Jahr“, meint Letzgus-Maurer, „wollen wir das offensiver anbieten.“ Hoffnungen, auch im Hallenbad Nord könnten demnächst womöglich Karten akzeptiert werden, musste Letzgus-Maurer allerdings enttäuschen. In den Kästen dort oben könne man die Elektronik leider nicht unterbringen.

Die geniale Lösung

gegen den Kälteschock

Eines hat sich auf jeden Fall nicht geändert: Der Rasen. Er ist weit über Tübingen hinaus berühmt, weil er trotz intensiver Nutzung stets unheimlich gut aussieht und zudem angenehm weich unter den Füßen liegt. Für Thomas Greim, der sich gestern trotz kühlem Wind mutig in Badehose darauf niederließ, ist der Rasen im Freibad deshalb allerdings auch eine stete Herausforderung. „Dieser Rasen hier ist so gut, dass meine Frau mich immer fragt, warum er bei uns zuhause nicht auch so ist.“

Zuständig für den Rasen sind die Tübinger Stadtgärtner, die seine Pflege mit großer Sachkenntnis betreiben. Letzgus-Maurer weiß nur, dass im Freibad eine sehr spezielle Saat verwendet wird und dass die Gärtner viel Zeit und Energie auf den Erhalt des satten Grüns verwenden. „Jetzt im Mai kommen die dreimal pro Woche zum Mähen.“ Unkrautvernichter, wie Greim vermutet, kämen jedenfalls nicht zum Einsatz. „Das machen wir hier nicht.“ Stattdessen werde allenfalls mineralischer Dünger verwendet.

Während Greim gestern den Aufenthalt auf dem Rasen und in der Sonne bevorzugte, wagte sich seine Tochter Justina mutig ins Wasser. Doch wie viele andere Badegäste stellte auch die 12-Jährige fest, dass das Wasser doch noch recht kalt war. „Zehn Minuten ins Wasser und eine halbe Stunde unter die Dusche“, war ihre Lösung für dieses Problem. Eine Lösung, auf die nicht nur Justina gekommen war: In den Duschen ging es gestern lebhaft zu. Insgesamt war der Besuch für den ersten Tag ordentlich, aber nicht sensationell gut.

Freibadchef Letzgus-Maurer zählt übrigens persönlich nicht zu den eifrigen Nutzern seines Freibads, wie er zugab. „Ich bin da eher wie ein Konditor, der ja auch nicht ständig Süßes isst.“ In diesem Jahr allerdings will er auch selbst mal wieder öfter ins Wasser springen: „Ich mach nämlich mit beim City-Triathlon.“

Das ist neu: In vier Kleiderschränken gibt es jetzt Ladestationen für Smartphones. Gespeist werden sie von Solarenergie. Bild: Erich Sommer

Das ist neu: In vier Kleiderschränken gibt es jetzt Ladestationen für Smartphones. Gespeist werden sie von Solarenergie. Bild: Erich Sommer

„Absolut mein Traumberuf“: David Letzgus-Maurer leitet das Tübinger Freibad.Bild: Janßen

„Absolut mein Traumberuf“: David Letzgus-Maurer leitet das Tübinger Freibad.Bild: Janßen

Zum Artikel

Erstellt:
06.05.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 41sec
zuletzt aktualisiert: 06.05.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!