Die DDR im Jalousienlicht

Filmkrimi eines „Tatort“-Ermittlers: „Das Geständnis“ von Bernd Michael Lade

Die Atmosphäre der untergehenden DDR verdichtet sich für Regisseur Bernd Michael Lade ausgerechnet in einer Mordkommission am Alexanderplatz. Das Krimi-Genre findet Lade im deutschen Film am spannendsten: „Weil es immer eine soziale Komponente hat.“

23.09.2016

Von DOROTHEE hERMANN

Mit dem Auge des Kriminalisten: Der langjährige „Tatort“-Ermittler und Regisseur Bernd Michael Lade (von links), seine Ehepartnerin Maria Simon (im Film eine Verdächtige) und der Ex-Tübinger Josef Wutz (Filmenthusiast und -Verleiher in Hamburg) am Mittwochabend vor dem Tübinger Kino Arsenal.Bild: Metz

Mit dem Auge des Kriminalisten: Der langjährige „Tatort“-Ermittler und Regisseur Bernd Michael Lade (von links), seine Ehepartnerin Maria Simon (im Film eine Verdächtige) und der Ex-Tübinger Josef Wutz (Filmenthusiast und -Verleiher in Hamburg) am Mittwochabend vor dem Tübinger Kino Arsenal.Bild: Metz

Das bräunliche Bürolicht wirkt, als hätten sich ganze Behördenjahrgänge darin abgelagert. Doch es hat auch etwas Nostalgisches, einen Anflug von detektivischer Coolness. „Ich wollte, dass es schöner ist als kalte Neonbeleuchtung“, sagte Bernd Michael Lade dem TAGBLATT in der Kneipe des Tübinger Kinos Arsenal. Sein vielgelobter Spielfilm „Das Geständnis“ über die Auflösung der DDR hatte dort am Mittwochabend Tübinger Premiere.

Gewöhnlich steht der 51-Jährige vor der Kamera: Für „Tatort“, Polizeiruf 110, Großstadtrevier oder SOKO Leipzig. In seinem Film zeigt er Ermittler einer Ostberliner Morduntersuchungskommission (auf diese sprachliche Differenzierung legen sie Wert) in den letzten Monaten der DDR.

„Das Jalousienlicht ist den Kriminalfilmen der Schwarzen Serie entnommen“, sagte Lade. „Letzten Endes“ habe er „einen spannenden Kriminalfilm“ drehen wollen. „Rot“ sollte der Titel heißen, aber dann sei „Red“ herausgekommen, mit Bruce Willis, und er musste sich etwas anderes überlegen. Die sperrigste Figur spielt er selbst, den alleinerziehenden Polizeioberleutnant Micha Roth, der mit seinen Methoden bei Vorgesetzten wie Obrigkeit (samt Stasi) aneckt.

Von den Kameraeinstellungen her sei der Film ein Western, meinte Lade. Man glaubt ihm sofort, wenn man sieht, wie sich dank der rasanten Montage die Protagonisten wieder einmal mustern wie bei einem Showdown.

Frauen gab es damals kaum als Ermittlerinnen bei Kapitalverbrechen. „Die Frau in der DDR war emanzipiert und hatte ihren Platz“, sagt Lade dazu. Außerdem sei der Job bei der Morduntersuchungskommission „viel zu hart“ (für Frauen) gewesen. „Die Ermittler wurden meist nach drei Jahren ausgewechselt.“

Gestützt auf Informationen eines Insiders, die unter Pseudonym bereits in Buchform erschienen, ist der Film als leicht klaustrophobisches Kammerspiel angelegt, das sich untergründig auf ein ganzes Staatswesen weitet.

Die Außenwelt erreicht die Polizei per Telefonanruf (Leichenfund) oder mit Verdächtigen, die zur Befragung einbestellt werden. Es ist eine gefilterte Wahrnehmung, reihenweise konfrontiert mit Realitätseinbrüchen, die es offiziell gar nicht geben durfte: ein Volkspolizist als Mörder seiner alten Mutter, ein blutiger Serientäter, ein Torso aus dem Schwulenmilieu. Drumherum schwirrt jede Menge Parteigesums, das die Ermittler trotz ihrer aufreibenden Arbeit niemals vernachlässigen dürfen, wenn sie sich nicht um ihren Job bringen wollen. Als ein sowjetischer Soldat tot aufgefunden wird, werden die Beamten von oben zur Untätigkeit verdonnert. Besonders wichtig ist dem Regisseur, dass der Film die DDR nicht zeigt, wie sie in seiner Erinnerung aussieht, sondern wie sie sich im Rückblick für ihn anfühlte.

Info „Das Geständnis“ läuft im Kino Arsenal heute und am morgigen Samstag jeweils um 16 Uhr. Am Sonntag um 20.15 Uhr.

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Erstellt:
23.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 23.09.2016, 01:00 Uhr

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