Lieblingshandy

Eine Legende erwacht, erwachet ihr auch!

Mein erstes Handy, ein Nokia 3310, überzeugte nicht nur mich, sondern 126 Millionen Menschen weltweit. Das ist gar nicht so lange her. Erst 2005 wurde das Modell vom Markt genommen. Was folgte, war das Smartphone. 90 Prozent der Bundesbürger besitzen mittlerweile eins.

17.02.2017

Von Till Wimmer

Die drei Säulen des Erfolgs, die das 3310 zum meistverkauften Mobilfunkgerät der Welt machten, sind so banal wie einleuchtend:

Robust, lange Akkulaufzeit, Snake II. Nichts von dem findet sich in den hochmodernen Alleskönnern von heute. Der Fortschritt ist unaufhaltsam.

Links, Likes und bewegte Bilder, gepaart mit wohligem Vibrieren an unseren Oberschenkeln machen uns glücklich. Biochemisch heißt das: Unsere Belohnungszentren im Gehirn dürsten nach Dopamin. Mehr Klicks, mehr Posts, mehr soziale Medien. Der Drang, dazuzugehören oder – andersherum – die Angst, nicht mitreden zu können, „fomo – the fear of missing out“, treibt uns immer tiefer in die Abhängigkeit der ewigen Erreichbarkeit.

In der hiesigen Redaktion war man überrascht, als ich kundtat, nur ein altbackenes Mobilfunkgerät zu besitzen. Erst Unglaube, dann Neugierde und zunehmendes Verständnis, als den Kollegen die Schokoladenseiten eines so vorsintflutlichen Geräts langsam einleuchteten. Auch wenn ich das Internet nicht in meiner Tasche trage, funktional ist so ein Mobilfunk-Klassiker allemal – als Bieröffner oder als Hammer hat er schon viele Einsätze überlebt. Ein Gebrauchsgegenstand eben, der, sollte er mal kaputt gehen, mich nicht gleich in den finanziellen Ruin treibt.

Ich bin nur dann erreichbar, wenn ich es will. Mein Mobiltelefon hat kein Whatsapp und kein Internet, ist meistens stummgeschaltet und macht sich eh nicht gut in der Hosentasche. Uneingeschränkte Erreichbarkeit ist keine Pflicht und kann mir auch nicht aufgezwungen werden.

Die klugen Wunderwerke sind die Vorboten einer Welt, in der wir uns unausweichlich zu Cyborg-ähnlichen Wesen entwickeln. Sie gleichen Prothesen, werden zu einem Teil unseres Körpers – machen wir uns abhängig, verlernen wir das Leben ohne sie. Wer dauernd über Vergangenes und Zukünftiges nachdenkt, abdriftet in eine unwirkliche, digitale Realität, der verliert die Geduld und den Blick nach innen – und nach vorn. Das beweisen unfreiwillige Kollisionen am Holzmarkt und auf den Gängen der Uni-Bibliothek.

Nokia hat angekündigt, das 3310 wieder zu produzieren. Das löst Euphorie aus bei denen, die sich noch erinnern an die Ära des funktionalen Designs, des langlebigen Akkus und der Unzerstörbarkeit.

Ich brauche es nicht mehr, das Nachfolgemodell 3320 leistet beste Arbeit.

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Erstellt:
17.02.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 06sec
zuletzt aktualisiert: 17.02.2017, 01:00 Uhr

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