Es muht und wufft im Museum

Eine Ausstellung im Tübinger Kornhaus beschäftigt sich mit Haustieren, die „lieb und lecker“ sind

Man hat sie zum Streicheln und zum Fressen gern. „Haustiere – lieb und lecker“ heißt eine Ausstellung im Tübinger Stadtmuseum, die vom heutigen Freitag an in der Tübinger Kornhausstraße 10 zu sehen ist.

13.05.2016

Von Ulla Steuernagel

Vorne das lebensgroße Steiff-Pony, hinten die schwarze Melkkuh zum Üben: Haustiere sind ins Kornhaus eingezogen.Bild: Metz

Vorne das lebensgroße Steiff-Pony, hinten die schwarze Melkkuh zum Üben: Haustiere sind ins Kornhaus eingezogen.Bild: Metz

Tübingen. Haustieren als Bezeichnung „lieb und lecker“ mitzugeben wirkt leicht irritierend und zeigt, so Museumsleiterin Wiebke Ratzeburg, „das ambivalente Verhältnis, das wir Menschen zu den Haustieren haben“. Das Haustier wird also in der soeben eröffneten Familienausstellung im Stadtmuseum nicht nur als Streicheltier, sondern auch als Nutztier verstanden.

Ausstellungskuratorin Daniela Überhör will auf die kulturellen Hintergründe solcher Zuschreibungen aufmerksam machen, ohne dabei ökomoralischen Druck auszuüben. In anderem Länder gibt es andere Esssitten und -tabus. Noch essen sie in China Hunde, aber wenn die Tiere nur lange genug als Schoßhündchen gehalten werden, landen sie vermutlich bald nicht mehr in den Töpfen.

Das Stadtmuseum zeigt viele schöne Tierpräparate, meist wertvolle Leihgaben aus Naturkundemuseen: prächtige Hühner und Hähne, große püschelige Hasen, stolze Hunde aller Größen, Katzen, Meerschweinchen, Hamster und dazu auch noch ein paar lebensgroße Steiff-Modelle von der Kuh bis zum Pony.

Vier Augen hat

ein Hund

Im Ausstellungsraum ist fast alles ausgestopft oder steif, selbst die so lebendig wirkenden Wellensittiche können keine Körner mehr picken. Doch in einer Ecke herrscht geschäftiges Treiben. Hier lebt ein ganzes Volk. Es hat ein Ausflugsrohr nach draußen, doch innen kann man durch transparente Platten sein emsiges Tun beobachten: Ein Bienenvolk wohnt nämlich vorübergehend im Kornhaus. Es gehört Helmut Gugel, dem Techniker und „Allroundgenie“ des Hauses, wie Ratzeburg ihn nennt. Er hat auch gleich noch das Kuhmodell beigetragen, an dem sich jede/r im Melken ausprobieren und nach einigen Misserfolgen sehnsüchtige Blicke auf die daneben hängende Melkmaschine werfen kann.

Die Ausstellung ist also nicht nur zum Schauen gedacht, auch zum Anfassen und mit ihren vielen Details zum belustigten Staunen. Viel Raum nimmt der Hund in dieser Ausstellungshütte ein. Der Fotograf Christoph Schwabe hat sich diversen Paaren gewidmet, der eine Partner ist Hund, der andere Mensch. Auch wenn die Pärchen sich äußerlich nur wenig ähneln, man sieht ihre Zusammengehörigkeit. So scheint es nur konsequent, dass Hunde auch Berufe ausüben können. Das Star unter den Wauwaus arbeitet als „Statussymbol“, es gibt aber auch den Beruf „Blindenführhund“, „Rettungshund“ oder „Polizeihund“. Und wer erst mal voll auf den Hund gekommen ist, der wird auch begierig die Frageknöpfe drücken, durch die dann im Setzkasten der richtige Hund aufleuchtet. Wer weiß schon, welcher Hund auch „Vieräugler“ (Berner Sennenhund) genannt wird und dass der Dalmatiner weiß auf die Welt kommt?

Immer wieder heißt es in dieser Ausstellung „Anfassen erlaubt“, eine Aufschrift, die den Kindern so gut wie den Erwachsenen gefällt. Und weil man nicht nur mit Augen und Händen ins Museum geht, sondern auch Ohren und Nase dabei hat, kann man hören, wie es muht, krächzt, wufft und blökt und man kann ein bisschen Stallgeruch schnuppern. Garantiert geruchsfrei sind jedoch die Kothaufen, die im Raum herumliegen. Sie sind aus Plastik, also keine Tretminen, und in jedem von ihnen steckt ein Buchstabe. Richtig zusammengesetzt ergeben die Buchstaben am Ende ein Wort, das die Frage Nummer 16 auf dem Kinder-Quizbogen beantwortet. Als Gewinne winken Steiff-Tiere und Schnupper-Reitkurse.

Hippophagen sind in der

Stadt ausgestorben

Während die Kinder den Antworten nachjagen oder sich im „Kindergehege“ tummeln, wie Ratzeburg den Plüsch-Streichelzoo augenzwinkernd nennt, können die Erwachsenen in Ruhe die Fotos aus dem Tübinger Stadtarchiv betrachten. Zum Beispiel eine herrschaftliche „Weideszene“ von 1900: Eine Dame mit Windhund (Beruf: Statussymbol) blickt von der Platanenallee aus in Richtung Evangelisches Stift.

Geradezu idyllisch muten, wenigstens aus heutiger Sicht, die Bilder vom Schweinemarkt vor der Jakobuskirche an. Bis 1967 wurde er hier abgehalten, die Ferkel packte der Profi an den Hinterbeinen und trug sie weg. Wie selbstverständlich diese Grifftechnik war, erkennt man auf dem Foto eines Mannes, der sich trotz Schweinchen links und rechts nicht vom Schwätzchen abhalten ließ.

Noch bis in die siebziger Jahre gab es noch Nutztiere in der Innenstadt, mittlerweile aber muht es hier aus keinem Keller mehr und kein Rilling’sches Pferdefuhrwerk zockelt mehr durch die Mühlstraße. Doch die Quint’sche Herde grast immer noch als bester aller Rasenmäher auf dem Österberg. Die Hirtenausstattung der Ausstellung ist eine Leihgabe des Lustnauer Schäfers.

Die alten Stadtfotos gehen ein wenig unter in dieser großen Tierschau. In der Katzenecke könnte man glatt das „Bäbbele“ übersehen, ein putzig gekleidetes Kätzchen, das in der Schmiedtorstraße 4 wohnte. Die Kinder des Hauses zogen ihm gerne Puppenkleider an und kutschierten ihr erfolgreich domestiziertes Haustier im Kinderwagen herum.

Auch das Kornhaus selber trägt zum Haustier-Thema bei. Zwei mumifizierte Katzen, die bei der Sanierung gefunden wurden, sind in Schaukästen zu sehen, die für zartere Gemüter auch dunkel bleiben können. Und Pferdefreundinnen müssen ganz schnell an der Vitrine vorbeigehen, die Gläser mit Aufschriften wie „Pferde-Gulasch“ enthalten. Mitte des 19. Jahrhunderts allerdings gab es in Tübingen einen Verein, der heute noch nicht mal mehr über Nachwuchssorgen klagen kann: Es war der Verein der „Hippophagen“ – der Pferdefleischesser.

Bis 16. Oktober ist die Haustierschau zu sehen

Die Ausstellung „Haustiere – lieb und lecker“ ist bis zum 16. Oktober im Tübinger Stadtmuseum zu sehen. Zum Begleitprogramm gehören nicht nur zehn in der ganzen Stadt verteilte Außenstationen, es gibt auch Vorträge und Bastelangebote für Groß und Klein. Am Pfingstsonntag bietet Daniela Übelhör von 15 bis 16 Uhr eine kostenlose Führung an. Im Mai wird unter anderem der Tübinger Imker Helmut Gugel sein Bienenvolk vorstellen (25. Mai) und der Tübinger Künstler Robin Broadfoot mit Kinder tierische Lichtobjekte basteln (28. Mai). Geöffnet ist die Ausstellung dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr. Eintritt: Kinder bis 12 Jahre frei, Erwachsene 2,50 Euro.

Zum Artikel

Erstellt:
13.05.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 51sec
zuletzt aktualisiert: 13.05.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!