Nationalmannschaft

„Ein Turnier hat immer seine Tücken“

Marcus Sorg ist an der Seite des Bundestrainers im Einsatz. Der Ulmer soll helfen Spieler zu finden, die stark genug sind, im nächsten Jahr den Titel des Weltmeisters zu verteidigen.

24.06.2017

Von ARMIN GRASMUCK

Hoch konzentriert am Spielfeldrand und mit der offiziellen Eintrittskarte für den Confed Cup um den Hals: Marcus Sorg, seit einem Jahr einer der Assistenten des Bundestrainers. Foto: Ulmer

Hoch konzentriert am Spielfeldrand und mit der offiziellen Eintrittskarte für den Confed Cup um den Hals: Marcus Sorg, seit einem Jahr einer der Assistenten des Bundestrainers. Foto: Ulmer

Kasan. Mit einem Auge blickt Marcus Sorg jeden Tag über die Landesgrenze, obwohl er mit der deutschen Nationalmannschaft beim Confed Cup in Russland gut beschäftigt ist. Eigentlich war er als Cheftrainer der DFB-Junioren vorgesehen, die gerade bei der Europameisterschaft der unter 21-Jährigen in Polen im Einsatz ist. Doch dann kam alles anders. Im vergangenen Frühjahr bat ihn Bundestrainer Joachim Löw, ihm bei der EM in Frankreich unterstützend zur Seite zu stehen. Es lief prächtig, Sorg blieb dran – und, schwupps, war das Jahr vorüber. Die Arbeit am Puls der besten Fußballspieler des Landes bestimmt sein Leben. Im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl, wo er wohnt, ist der Schwabe nur noch selten anzutreffen.

Der Auftakt beim Confed Cup ist der deutschen Mannschaft gut gelungen: 3:2 gegen Australien und 1:1 gegen Chile. Was hat sie in den beiden Spielen besonders beeindruckt?

Marcus Sorg: Ein Turnier hat immer seine Tücken. Trotzdem hat die Mannschaft gegen Australien in der ersten Hälfte bei eigenem Ballbesitz viel richtig gemacht, sie hat sich viele Chancen herausgearbeitet, das war positiv. Gegen Chile hat unsere junge und auch nicht so eingespielte Mannschaft bewiesen, dass sie auf Augenhöhe mit dem Südamerikameister spielen kann. Man darf das ja sagen: Die chilenische Abwehr hatte mehr Länderspiele als unsere komplette Anfangsformation.

Sind Sie überrascht, wie selbstbewusst die jungen Spieler auftreten?

Ich freue mich eher darüber. Wir wissen, was sie können. Wir haben hohe Erwartungen, deswegen sind sie ja dabei. Für viele Spieler ist es das erste größere Turnier, darum ist es ein Jahr vor der WM so wichtig, dass diese Spieler, die alle eine WM-Perspektive haben, jetzt diese Erfahrungen machen können. Der Drei-Tages-Rhythmus, die Bedeutung jedes einzelnen Spiels. Verlierst du die erste Partie, ist jede weitere schon ein K.o.-Spiel. Du hast nicht, wie in der Bundesliga, die Zeit, etwas zu korrigieren.

Die EM im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die deutsche Elf in der entscheidenden Phase bei aller Spielstärke Schwierigkeiten hatte, gefährlich vor das Tor des Gegners zu kommen. Suchen Sie deshalb bevorzugt nach echten Torjägern und virtuosen Flügelspielern?

Wir müssen weitere Spieler finden und formen, die gewisse Attribute schon in ihrem Naturell tragen. Ich mache aus einem Spieler, der den Ball immer in den Fuß gespielt haben möchte, keinen Spieler, der oft in den Rücken der Abwehr losläuft. Es gibt Dinge, die sind schwer zu trainieren. Es ist wichtig, dass man Spieler mit verschiedenen Fähigkeiten hat, um im entscheidenden Augenblick, im Halbfinale oder Finale, flexibel reagieren zu können.

Hat Bernd Leno, der in der Partie gegen Australien patzte, seine Chance auf die WM bereits verspielt?

Wenn der Torwart einen Fehler macht, fällt es besonders auf. Aber Gegentore sind fast immer das Ergebnis einer Fehlerkette. Bernd hat eine starke Saison im Verein und in der Nationalmannschaft gespielt, deshalb ist es nicht so tragisch. Für alle Spieler gilt: Es wird sich im Verlauf des nächsten Jahres herauskristallisieren, wer in der besten Verfassung ist und nominiert wird.

Kam es überraschend, dass der Bundestrainer Sie im vergangenen Jahr in seinen Stab für die EM holte und danach auch langfristig band?

Absolut, weil ich eigentlich darauf eingestellt war, Cheftrainer der U 21 zu werden. Aber als klar wurde, dass Jogi Löw einen weiteren Assistenten suchte, freute es mich natürlich, dass er an mich gedacht hatte. Wir sagten: Okay, wir machen einen Probelauf bei der EM, aber schon während des Turniers äußerste er den Wunsch, dass ich dabei bleibe.

Wie lautet Ihre persönliche Zwischenbilanz nach einem Jahr im engsten Kreis der Weltmeister?

Ich bin seit einem Jahr permanent unterwegs. Es ist eine wahnsinnig spannende, herausfordernde Aufgabe. Ich habe viel dazugelernt, weil ich viel sehe und mich mit vielen Menschen auf Topniveau austauschen konnte. Der Bundestrainer gibt mir viel Vertrauen und große Wertschätzung, was die Aufgabe für mich noch befriedigender macht.

Stimmt es, dass sich Löws Assistenten – neben Ihnen Andreas Köpke, Thomas Schneider und Miroslav Klose – neuerdings speziell um die einzelnen Mannschaftsteile kümmern?

Wir haben die Spieler unabhängig von ihren Positionen aufgeteilt, um sie auch individuell zu begleiten. Es ist wichtig, dass wir uns in der Zeit, in der wir zusammen sind, intensiv mit allen Spielern beschäftigen. Jeder muss bis ins Detail wissen, was wir uns vorstellen. Und wir Trainer müssen wissen, was sie bewegt.

Sie waren als Spieler in der 2. Liga für den SSV Ulm 1846 im Einsatz. Gibt es noch Kontakt zum Heimatverein?

Ich bin selten zuhause, deshalb bin ich nicht mehr so vernetzt wie früher. Es freut mich, dass nach den Abstürzen der vergangenen Jahre jetzt engagierte Leute am Werk sind und dem Klub gute Perspektiven geben.

Was fehlte dem früheren Angreifer Marcus Sorg zum Nationalspieler?

(lacht) Eine ganze Menge! Sicher das Selbstvertrauen, es war damals noch nicht so ausgeprägt. Und die Technik entsprach erst im Alter einem gewissen Niveau. Aber ich hatte eine gute Zeit als Spieler, nebenher habe ich studiert, jetzt kann ich auf höchstem Niveau in meinem Beruf arbeiten. Von daher: alles gut.

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Erstellt:
24.06.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 39sec
zuletzt aktualisiert: 24.06.2017, 06:00 Uhr

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