Traditionreiches Reutlinger Kino-Gebäude wird abgerissen

Der lange Abschied vom alten Kali

„Danke für sechs tolle Jahre“, steht mit Kreide am Eingang: Nun ist auch die Café-Bar im alten Kali-Kino in der Katharinenstraße Geschichte. Wie berichtet, entsteht dort ein Wohn- und Geschäftskomplex, das Kino-Gebäude wird voraussichtlich im August oder September abgerissen.

25.06.2016

Von Matthias Reichert

Der lange Abschied
vom alten Kali

Pächter Florian Schumann hatte das umgebaute Café 2009 übernommen, es wieder Kali genannt und im selben Haus gewohnt. Im alten Nebenkino machte er „Tatort“-Vorführungen, den großen Saal nutzte er als Event-Location. Dort wurde im Dezember 2013, gleichsam an historischer Stätte, die Genossenschaft für das neue Programmkino Kamino auf dem Wendler-Areal aus der Taufe gehoben.

Die Gründung des späteren Kali fiel in frühe Boomjahre der bewegten Bilder, weiß Andreas Vogt vom Kamino-Vorstand: 1911 eröffnete es im Saal des ehemaligen Gasthauses Falken in der Katharinenstraße. Kinopionier August Daub übernahm das Falken-Kino 1919 und taufte es bald in Kammer-Lichtspiele um, nach Vorbild seines Stuttgarter Kinos. Das Reutlinger Haus blieb bis zuletzt im Besitz von Daubs Nachfahren. Sie bauten es 1953 glamourös aus – nach Plänen von Wilfried Beck, der in Reutlingen auch das Parkhotel am Listplatz gebaut hatte. Johannes Kalbfell übernahm das Kino als Pächter 1970. Seine Bundeshalle war abgebrannt, und er brauchte ein neues Standbein. Kalbfell machte, wie damals üblich, aus einem großen drei kleine Kinos – Kali 1, 2 und 3. So firmierte es endgültig als Kali. Kalbfell führte das Haus bis zu seinem Tod 1994 – und stand für ein anspruchsvolles Programm. 34 Jahre lang residierte dort der Jugendfilmclub Jufi, der mit Kalbfell aus der Bundeshalle ins Kali zog. Die Französischen Filmtage wurden erstmals 1983 vom Jufi mitorganisiert, ehe sie nach Tübingen abwanderten.

Der letzte Kali-Geschäftsführer war Gerhard Steinhilber, dem die wieder errichtete Bundeshalle in der Kaiserstraße gehörte – dort steht heute ein Wohnkomplex. Im Februar 2004 lief im Kali die finale Vorstellung – „Der letzte Samurai“. Die Zeit der Filmtheater schien vorbei; überlebt hat damals in Reutlingen bezeichnenderweise nur das Cineplex Planie mit heute acht Sälen, in das auch der Jufi zog. Immerhin gibt es seit September 2015 auch das Kamino, das nun wieder mit Erfolg anspruchsvolles Programmkino macht.

In der Kali-Bar wurde Anfang Juni endgültig Abschied gefeiert. Der vormalige Café-Pächter Schumann gibt aber nicht auf. „Wir ziehen um – ab September in der Pfäfflinshofstraße 2“, ist in Kreideschrift zu lesen: Dort will Schumann wieder eine Kneipe aufmachen.

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Erstellt:
25.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 25.06.2016, 01:00 Uhr

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