Ausstellung in Stuttgart

Der Schwabe Carl Laemmle aus Laupheim hat Hollywood mitbegründet

Vom kleinen Laupheim ging Carl Laemmle in die Neue Welt – und gründete die Universal-Studios. Zum 150. Geburtstag widmet ihm das Haus der Geschichte eine Schau.

09.12.2016

Von VON LUKAS WETZEL

„Global Player“ war Carl Laemmle als Universal-Präsident. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg/Daniel Stauch

„Global Player“ war Carl Laemmle als Universal-Präsident. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg/Daniel Stauch

Stuttgart. Eine richtige kleine Filmstadt betritt der Besucher der Großen Sonderausstellung „Carl Laemmle presents“ im Haus der Geschichte in Stuttgart. Hell leuchtende Schriftzüge locken in fünf Ausstellungsräume, die Filmsets nachempfunden sind. Schlagwörter wie „Der Global Player“ und „Der Retter“ prangen an deren Eingang und geben einen ersten Hinweis darauf, was einen drinnen erwartet – und wer dieser Carl Laemmle eigentlich ist.

„Wir kennen zwar seine Filme, verbinden sie aber nicht mit seinem Namen“, sagt die Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger über Laemmle. Filmklassiker wie „Im Westen nichts Neues“, „Der Glöckner von Notre Dame“ und „Dracula“ hat Laemmle produziert. 1867 als Sohn eines jüdischen Viehhändlers im überschaubaren Laupheim geboren, zog es den damals erst 17-Jährigen 1884 ins ferne Amerika – mit gerade einmal 50 geliehenen Dollars. Fünf Cents kosteten die sogenannten Nickelodeons, kleine Filmtheater, in die Laemmle 1906 erstmals investierte. Weit mehr Geld floss sicherlich im Jahr 1912 bei der Gründung der „Universal Film Manufacturing Company“, an der Laemmle und zwölf weitere Produzenten beteiligt waren. Der Weg zum „Global Player“ war somit gebahnt. Als Präsident von Universal gründete Laemmle drei Jahre später die Studiostadt Universal City in Hollywood – und bekommt nun in Stuttgart posthum selbst eine museale Filmstadt gewidmet.

Tritt man in die thematisch gegliederten Ausstellungsräume ein, springen einem die großen Bilder von Laemmles Geburtstagsfeiern ins Auge. Sie zeigen ihn zumeist umgeben von Filmstars und Familienmitgliedern, die er häufig in der eigenen Firma beschäftigte, eine Vetterleswirtschaft, die ihm viel Spott einbrachte. Alles in den Schatten stellen aber seine fetten Geburtstagstorten. Die sollen genausoviel Pfund gewogen haben, wie Laemmle alt geworden war – ein witziges Detail, das den Mann hinter den grandiosen Filmen fassbar macht.

Anhand von etwa 200 teils sehr außergewöhnlichen Exponaten kommen der Privatmann wie auch der Filmmogul zum Vorschein. Ein japanisches Filmplakat von „Das Phantom der Oper“ oder die Fledermaus aus „Dracula“ gibt es da zu bestaunen. Das älteste Ausstellungsstück: ein „book of friends“, das Laemmle angefertigt hatte, kurz bevor er nach Amerika aufbrach. Im selben Raum befindet sich eines der Schmuckstücke der Ausstellung: der Oscar für den deutschlandkritischen Film „Im Westen nichts Neues“, der Laemmle viele antijüdische Ressentiments einbrachte. Ausschnitte aus diesem und anderen Filmen kann man in vier der fünf Filmsets sehen, in die zentral ein kleiner Kinosaal mit silberner Zuschauertreppe integriert ist. Eine elektronische Infotafel mit Touchscreen liefert Informationen dazu. Soviel Multimedialität könnte die Sinne überfordern. Zu einer Reizüberflutung kommt es aber glücklicherweise nicht: Die Kinogeräusche sind nicht zu laut, bei den Exponaten gilt Qualität vor Quantität, die Räume sind nicht überladen.

Die Ästhetik der Ausstellung ist sehr atmosphärisch und ergänzt die Inhalte angemessen. Denn so bunt wie Hollywood ist die Filmstadt gestaltet: Jedes Filmstudio wurde in eine Farbe getaucht. Nur der letzte Ausstellungsraum, betitelt mit „Der Retter“, ragt heraus. Er ist in Grautönen gehalten, es gibt keinen Kinosaal, und auf dem Geburtstagsbild fehlen die Stars. Die Optik deutet es an: Carl Laemmle verließ Hollywood aus finanziellen Gründen, 1936 trat er als Präsident von Universal zurück. „Da war ich draußen“, kommentierte er seinen Austritt. „Aber nicht am Ende“, ergänzt Lutum-Lenger heute. Denn Laemmle hat nicht nur in der Filmbranche Großes bewirkt.

Nach seinem Rücktritt bewahrte er einige hundert deutsche Juden vor dem sicheren Tod, indem er ihnen mit Bürgschaften ermöglichte, in die USA einzureisen. Auf einer großen, weißen Wand sind die Namen der Geretteten versammelt. Unter ihnen ist auch ein original erhaltener Dankesbrief an Laemmle für eine solche Bürgschaft – dieses wertvollste Exponat stellt selbst den Oscar in den Schatten.

Ein Oscar muss sein: Dieser hier ging an „Im Westen nichts Neues“. Foto: dpa

Ein Oscar muss sein: Dieser hier ging an „Im Westen nichts Neues“. Foto: dpa

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Erstellt:
09.12.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 09.12.2016, 06:00 Uhr

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