Der Kinderbauernhof bleibt

Der Gomaringer Kibago-Verein will das Grundstück mit Hilfe eines Darlehens kaufen

Mehr als 200 000 Euro hat der Verein Kinderbauernhof amBrennlesberg innerhalb weniger Monate zusammenbekommen – teils als Spenden, teils als Privatdarlehen. Die Mitglieder haben den Vorstand nun ermächtigt, den noch fehlenden Betrag als Kredit aufzunehmen. Für 660 000 Euro möchte er das Grundstück kaufen.

09.07.2016

Von Gabi Schweizer

Ein kleines Idyll verbirgt sich zwischen Linden- und Hechinger Straße in Gomaringen. Regelmäßig sind Schulklassen zu Besuch – nach Füttern und Misten bleibt immer reichlich Zeit für Streicheleinheiten. Archivbild: Franke

Ein kleines Idyll verbirgt sich zwischen Linden- und Hechinger Straße in Gomaringen. Regelmäßig sind Schulklassen zu Besuch – nach Füttern und Misten bleibt immer reichlich Zeit für Streicheleinheiten. Archivbild: Franke

Gomaringen. Manches erscheint Karl Wössner wie ein Wunder. Zum Beispiel der Brief einer „Frau Incognito“, in dem 1000 Euro steckten. Aber auch die Tatsache, dass trotz des EM-Halbfinalspiels am Donnerstagabend fast 30 Vereinsmitglieder in einer Gomaringer Scheune saßen und über die Zukunft des Kinderbauernhofs berieten. Etwas zerknirscht gab das Vorstandsteam zu, man habe das Länderspiel nicht auf dem Schirm gehabt, als die außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen wurde.

Zur Erinnerung: Der Gemeinderat hatte einen Teil der Flächen, die der Kinderbauernhof nutzt, zu Bauland erklären lassen. Fünf Häuser könnten nun in dem Zwickel zwischen Linden- und Hechinger Straße entstehen. Zum Grundstück gehört außerdem eine Wiese direkt an der Hechinger Straße und ein Bauplatz direkt an der Lindenstraße. Alles zusammen möchte die Eigentümerin für 660 000 Euro inklusive Nebenkosten verkaufen, und zwar am liebsten an den Kinderbauernhof, dem sie auch eine großzügige Spende zukommen lassen will. So räumte sie eine Frist bis zum 30. Juni ein. Bis dahin sollte der Verein für sich klären, ob er das Land kaufen will und kann. Bislang sind – mit Ausnahme einer Wiese, die Karl Wössner gehört – alle Flächen gepachtet.

Inzwischen steht fest: Es ist möglich. Die Bank hat das bestätigt. Nun haben auch die Mitglieder einstimmig dafür votiert, das Land mit Hilfe eines Darlehens zu kaufen. Alternativen dazu gab es im Prinzip keine. Den Bauernhof aus der Dorfmitte an einen Ort mit günstigem Wiesenland zu verpflanzen, ist aus mehreren Gründen keine Option. Erstens hat der Verein auch in der Vergangenheit immer wieder betont, wie wertvoll die Ortsnähe für die pädagogische Arbeit sei. Vor allem aber könnten die Familien Wössner und Schäfer den Bauernhofbetrieb nicht mehr leisten, wenn sie auch noch pendeln müssten. „Die Helfer rennen uns nicht die Bude ein. Unsere Familien tragen die Hauptlast“, sagte Karl Wössner, dem die Tiere gehören. Er hat sich mit dem Bauernhof einen Kindertraum erfüllt, der jedoch viel Arbeit mit sich bringt. Seine Tochter Cornelia Schäfer, gelernte Erzieherin und Erlebnispädagogin, ist fast rund um die Uhr mit dem Bauernhof und den zahlreichen Kindergruppen beschäftigt – das allermeiste davon leistet sie ehrenamtlich. Kinder feiern ihre Geburtstage auf dem Bauernhof, Schulklassen erleben den landwirtschaftlichen Alltag, Kindergartenkinder freuen sich an den Hasen, Ziegen, Pferden, Schweinen und Hühnern. Beim Füttern und Ausmisten sollen die Jungen und Mädchen lernen, Verantwortung zu übernehmen, sich in ein Team einzufügen, sich sozial zu verhalten. Insbesondere fühlt sich der Verein jenen Kindern verpflichtet, die aus armen Familien oder aus problematischen Verhältnissen kommen. Die Arbeit mit Tieren könne auch Blockaden lösen.

Gut 440 000 Euro muss der Verein nach aktuellem Stand noch über die Bank finanzieren. Steffen Treichel und Peter Wössner, die sich um die Finanzgeschäfte kümmern, erklärten ihren detaillierten Einnahmen-Ausnahmen-Plan: Durch Kindergeburtstage, Schulklassen, offene Bauernhoftage und sonstige Gruppen kommt Geld in die Vereinskasse – auf Spendenbasis zwar, aber durch Erfahrungswerte verlässlich. „Die Conny kann sich vor Anfragen kaum retten“, versicherte Treichel. Das Problem sei schon eher, die viele Arbeit zu bewältigen. Ab Herbst wird die engagierte Pädagogin darum von einer Bundesfreiwilligendienstlerin unterstützt. Hinzu kommen Mitgliedsbeiträge, die Kinderzuschüsse der Gemeinde, Privat- und Firmenspenden oder auch kleinere Posten wie Apfelsaftverkauf. Bauernhofpatenschaften sind dem Verein am liebsten, weil durch sie verlässlich Geld in die Kasse kommt: „Wenn wir es schaffen, 300 Gomaringer zu überzeugen, 5 Euro im Monat zu geben, dann sind das 18 000 Euro im Jahr, rechnete Treichel vor. Zudem geht der Verein neue Wege – etwa durch Online-Fundraising. Mit Einnahmen von 68 000 Euro im laufenden Jahr rechnet der Verein, mit immerhin noch 49 000 Euro im kommenden, wenn die größte Spendenwelle abgeflaut ist.

Die Hilfsbereitschaft scheint groß zu sein. Insbesondere die Privatdarlehen (aktueller Stand: etwas mehr als 110 000 Euro) sind gewachsen. Weil viele davon in fünf Jahren zurückbezahlt werden müssen, ergibt sich ein buchhalterisches Minus von fast 8000 Euro im laufenden Jahr und knapp 4000 Euro in den kommenden Jahren. Man habe aber fünf Jahre „Luft, etwas Neues zu entwickeln“, zeigte Wössner sich zuversichtlich. Manche Einnahmen seien noch nicht berücksichtigt, warf Conny Schäfer ein.

Die Kreissparkasse ist bereits Sponsorin des Kinderbauernhofs – für jeden Schulklassenbesuch gibt es von ihr 150 Euro. Sie sei auf den Verein zugekommen mit dem Vorschlag, die „Partnerschaft weiter auszubauen“, berichtete Peter Wössner. Zwar habe man auch mit der VR Bank „gute Gespräche“ geführt, sich dann aber für die KSK entschieden. Weitere Angebote seien nicht eingeholt worden – dazu habe die Zeit schlicht nicht gereicht. „Wir haben sicher nicht alles ausgelotet, um das beste Darlehen zu bekommen“, gab Wössner offen zu. Aber es sei gewiss schwierig geworden, die nun mit der KSK ausgehandelten Rahmenbedingungen zu toppen. Die Kreissparkasse gewährt den Kredit zu einem Zinssatz von 1,8 Prozent bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Details sind noch offen. Bislang ist ein Sondertilgungsrecht von 5 Prozent vorgesehen. Der Verein möchte dieses gern auf zehn Prozent erhöhen – in der Hoffnung auf weitere Spenden. Ohne diese Sondertilgungen ist der Kredit in zehn Jahren auf 300 000 Euro geschrumpft.

Für den Fall der Fälle hat die KSK sich den ersten Rang einräumen lassen – es gebe, sagte Treichel, keine Bank, die dies nicht tue. Einen Notfallplan hat der Verein aber: Sollte er in große Geldnot geraten, könnte er den bereits erschlossenen Bauplatz direkt an der Lindenstraße veräußern, eventuell auch das dahinter liegende Grundstück. Er verlöre damit nicht seine Gemeinnützigkeit, das hat das Vorstandsteam prüfen lassen.

Karl Wössner ist neuer Zweiter Vorsitzender

Susanne Greil, bisherige Zweite Vorsitzende des Kinderbauernhofs am Brennlesberg, wohnt nicht mehr in Gomaringen und gab ihr Amt deswegen ab. Ihr einstimmig gewählter Nachfolger ist Karl Wössner. Der pensionierte Hauptschullehrer ist gemeinsam mit Tochter Cornelia Schäfer einer der wichtigsten Akteure des Kinderbauernhofs: Ihm gehören die Tiere. Seine Vorstellung war kurz: „Ich bin der, der da unten immer rumwurstelt.“ Und wer ihn nicht kenne, solle doch mal auf dem Hof vorbeischauen. Die offiziellen Ämter sind nun besetzt, doch Aufgaben gibt es viele. Der Vorsitzende Simon Groß warb gut gelaunt um weitere Helfer: „Wir können auch Ämter erfinden!“

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Erstellt:
09.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 11sec
zuletzt aktualisiert: 09.07.2016, 01:00 Uhr

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