TAGBLATT-Gutenachtgeschichte

Brauchen Sie einen Tisch?

Die Kusterdinger bekamen am Mittwochabend Eulenspiegel und Hagenbuch vorgestellt.

04.08.2017

Von Christine Laudenbach

Bernd Selbmann zu Füßen saßen rund 150 Zuhörer. Sie steckten 444,22 Euro in den herumgereichten Hut. Das Geld geht an die geplante Mähringer Außenstelle des Kusterdinger Waldkindergartens. Bild: Metz

Bernd Selbmann zu Füßen saßen rund 150 Zuhörer. Sie steckten 444,22 Euro in den herumgereichten Hut. Das Geld geht an die geplante Mähringer Außenstelle des Kusterdinger Waldkindergartens. Bild: Metz

Als nach einem warmen Sommertag auf den Härten langsam die Sonne unterging: Was wie der Anfang eines idyllischen Heimatromans klingt, beschreibt einen Gutenachtgeschichten-Abend, wie er im Buche steht. Im lauschigen Ambiente des Klosterhofgartens gab es überraschende Lektüre, leckere Häppchen, Rosé und leichtes Geplauder. Das Härten-Duo Horse Mountain sang vom „Green, Green Grass of Home“.

Rund 150 Zuhörer waren der Einladung von TAGBLATT, Buchhandlung Osiander und Kusterdinger Bücherei gefolgt – und hatten buchstäblich jeden der aufgestellten Stühle in Beschlag genommen, wie TAGBLATT-Redakteurin Ulla Steuernagel anerkennend bemerkte. Viele Gesichter im Publikum kamen ihr bekannt vor. Eine Frauengruppe aus Kirchentellinsfurt outete sich freiwillig als Fanclub.

„Der Abend wird wahrscheinlich etwas kürzer, als Sie es gewohnt sind“, warnte die für den erkrankten Jürgen Jonas eingesprungene Moderatorin – und stellte die zwei „erprobten Vorleser“ an ihrer Seite vor. Viel musste sie über das Duo nicht erzählen. Sowohl Eleonore Wittke als auch Bernd Selbmann saßen bereits bei Kusterdinger Gutenachtgeschichten-Abenden mit einem Buch auf der Bühne. Die Mähringer Journalistin und Autorin nahm am Mittwoch zum dritten Mal im Lesesessel Platz, für den in Immenhausen wohnenden Leiter des Tübinger Landesamtes für Vermögen und Bau war es das zweite Mal. Im vorletzten Jahr haben sich die beiden wie heuer auf dem Sessel abgewechselt.

Eleonore Wittke hatte eines ihrer Lieblingsbücher mitgebracht. Sie las Auszüge aus Charles de Costers „Die Geschichte von Ulenspiegel“. Der Roman schildert den Freiheitskampf der Flamen gegen die spanische Herrschaft im 16. Jahrhundert und macht die legendäre Gestalt Till Eulenspiegels zum flämischen Volkshelden. In altertümlicher Sprache schildert de Coster teils sehr blutrünstige Begebenheiten. In einem der ausgesuchten Schwänke entkommt Ulenspiegel dank seiner Geliebten nur knapp dem Galgen. Davor kämpft er als wackerer Soldat gegen die Mächtigen in Spanien und Rom, widersetzt sich Grausamkeiten und Verrat – das Säckchen mit der Asche seines als Ketzer hingerichteten Vaters am Herzen.

Die Erlebnisse des Geusen Ulenspiegel waren ziemlich schwere Kost für einen leichten Leseabend. Eleonore Wittke wollte jedoch ganz bewusst die unbekannte Seite des heiteren Schelms vorstellen. Hanns Dieter Hüschs „Fall Hagenbuch“ nahm sich das Publikum da gerne an. Die Warnung Selbmanns, die Heiterkeit des Autors könne bisweilen „etwas im Halse stecken bleiben“, mutig ignorierend. Trocken las Selbmann zunächst eine Geschichte über Hüschs Alter Ego Hagenbuch, wie geschrieben für den Vorleseabend: In der „Inside Story“ spricht der Veranstalter einer Lesereise mit dem Autor. „Brauchen Sie einen Tisch?“ „Also Sie brauchen keinen Tisch.“ „Carla Dahlen braucht immer einen Tisch, obwohl sie singt. Sie liest nicht. Sie singt.“ Etwas später dann: „Haben Sie eigentlich schon was gegessen?“ Viele äßen ja immer erst nach der Lesung, weshalb er immer einen Tisch in Clarence Nacht-Restaurant bestelle. Wobei: Manche äßen weder vorher noch hinterher. Eine Künstlerin bevorzuge dort den Salat mit Ferrari-Essig. „Na das ist ja also das ist.“ „Das ist dann aber mal Salat. Und für jede Kaper einen neuen Teller.“ Da bezahle er doch gerne fünf Mark mehr. „Und am anderen Morgen kein Kopfweh. Nichts.“

In dieser Manier hätte es endlos weitergehen können. Die Kunst der selten zu Ende gebrachten Sätze des Kabarettisten vom Niederrhein kam gut an in Kusterdingen. Als Bernd Selbmann ausgelesen hatte, wollten viele Gäste den Abend noch nicht beenden. Sie blieben sitzen, plauderten, ließen sich weiter vom Förderverein bewirten und lauschten der Musik des Ehepaars Wanner-Stoll.

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Erstellt:
04.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 04.08.2017, 01:00 Uhr

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