Portugals Party auch ohne CR7

Außenseiter setzt sich im EM-Finale in der Verlängerung 1:0 gegen Gastgeber Frankreich durch

Außenseiter Portugal ist Europameister – und das, obwohl Cristiano Ronaldo schon früh ausschied. Erst in der 109. Minute fiel das entscheidende 1:0.

11.07.2016

Von GEROLD KNEHR

Kollektiver Jubel in rot und grün: Torjäger Eder (Nummer 9) schoss die Portugiesen ins Glück. Foto: Getty

Kollektiver Jubel in rot und grün: Torjäger Eder (Nummer 9) schoss die Portugiesen ins Glück. Foto: Getty

Saint-Denis. Premiere für Portugal. Was frühere Fußball-Stars wie der einstige Torjäger Eusebio oder später die sogenannte „goldene Generation“ Luis Figo nie geschafft haben, wenigstens einmal einen EM- oder sogar den WM-Pokal zu gewinnen, das ist nun der Generation Cristiano Ronaldo gelungen. Der Außenseiter setzte sich gegen Frankreich mit 1:0 (0:0) durch, obwohl der Star nur kurz auf dem Platz war. Der 10. Juli 2016 wird als das bedeutendste Datum der portugiesischen Fußball-Geschichte eingehen.

Im Vorfeld war dieses Finale vielfach auf das Duell zwischen dem dreifachen Weltfußballer Cristiano Ronaldo und Antoine Griezmann reduziert worden. Doch dieser Zweikampf kam nicht zustande. Wie im WM-Finale 1998, als es ein rätselhaftes Drama um den damaligen brasilianischen Star Ronaldo gegeben hatte, der vor dem Spiel einen Anfall hatte und angeblich sogar in Todesgefahr schwebte, erwischte es gestern Abend den portugiesischen Kapitän.

In der achten Minute von Patrice Evra und Dimitiri Payet in die Zange genommen, ohne dass Schiedsrichter Mark Clattenburg gepfiffen hätte. „CR7“ verletzte sich in dieser Szene am Knie. Mehrfach versuchte der 31-Jährige, wieder auf die Beine zu kommen. In der 24. Minute aber musst er, von Motten umschwirrt, die zahlreich im Stadion herumflogen, aufgeben. Wütend schmiss er die Binde auf den Rasen und ließ sich weinend vom Platz tragen, ohne auch nur eine einzige erwähnenswerte Aktion gehabt zu haben. Künstlerpech!

Kurios: Die Portugiesen, bis zur Ronaldo-Auswechslung Frankreich klar unterlegen, zeigten sich keineswegs geschockt, sondern hielten vielmehr die Begegnung unter Kontrolle. Die EM-Gastgeber wiederum agierten nach ihrer starken Anfangsphase immer zerfahrener. Schade, so fehlte dem großen Finale die große Klasse. Denn auch die französische Nummer sieben, der sechs Jahre jüngere Antoine Griezmann, konnte bei all seiner Technik dem Spiel seinen Stempel nicht aufdrücken.

Eher überzeugte die Wucht, mit der Mittelfeldspieler Moussa Sissoko immer wieder versuchte, Vorstöße einzuleiten.

Die körperlich unterlegenen Portugiesen standen im zweiten Durchgang tief und unterbanden immer wieder geschickt die zahlreichen französischen Angriffsversuche. Nach vorne aber ging kaum etwas. Bei den Franzosen sorgte die Einwechslung des Münchners Kingsley Coman für mehr Gefahr. Pech hatte der ebenfalls eingewechselte Andre-Pierre Gignac mit einem Pfostentreffer (90.+1) – es ging in die Verlängerung. Dort traf Ricardo Quaresma zunächst dmit einem Freistoß die Latte (108.). Und Eder eine Minute später mit wuchtigem Schuss zum 1:0 für Portugal.

2004 war Portugal ganz nah dran am ersten Titel, kam aber mit der Favoritenrolle vor eigenem Publikum nicht zurecht und verlor das EM-Finale gegen den von Otto Rehhagel trainierten krassen Außenseiter Griechenland. Dieses Mal drehten die Portugiesen den Spieß um und besiegten den Favoriten Frankreich vor dessen Publikum. Ein schöner Zug des Schicksals. Und eine Geschichte, die nur der Fußball in dieser Form schreiben kann.

Bitterer Moment für Portugals Superstar Ronaldo: Er wird verletzt vom Platz getragen. ?Foto: AFP

Bitterer Moment für Portugals Superstar Ronaldo: Er wird verletzt vom Platz getragen. ?Foto: AFP

Endspiel ohne Platini

Zuschauer Michel Platini blieb seiner Linie treu. Der frühere Präsident der Uefa, der über seine Geschäfte mit dem einstigen Fifa-Boss Joseph Blatter gestolpert war, befand sich auch gestern nicht im 77 000 Zuschauer besetzten Stade de France. Der Franzose blieb der EM also komplett fern, er hat sich kein einziges Spiel angeschaut. Dagegen war der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino, einst bei der Uefa Platinis Generalsekretär, in der Arena Augenzeuge des EM-Finales.

Die Fraktion der Politiker wurde durch Frankreichs Präsident Francois Hollande angeführt, begleitet von seinem Premierminister Manuel Valls und dem in der französischen Regierung für den Sport zuständige Patrick Kanner. Auch die Spitze der portugiesischen Regierung war durch Präsident Marcelo Rebelo der Sousa und Premierminister Antonio Costa vertreten.

Zuspruch: Auf viel Zuspruch ist Mesut Özil gestoßen. Der war nach dem Halbfinal-Aus der deutschen Nationalelf schwer enttäuscht, grüßte später aber über Twitter Frankreichls als „großartigen Gastgeber“. Das Team und die Menschen hätten es verdient, „nach all den Diskussionen und Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land seit November 2015“ im Endspiel zu stehen. Das Echo in Frankreich auf diese Worte waren absolut wohlwollend.?gek

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Erstellt:
11.07.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 11.07.2016, 06:00 Uhr

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